Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
aktuell hat das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) die Bilanz des weltweiten Waffenhandels publiziert. Im Fünf-Jahres-Vergleich von 2010 bis 2014 rangiert Deutschland – nach den USA, Russland sowie China und noch vor Frankreich und Großbritannien – auf Platz 4 der größten Rüstungsexportnationen. Deutschland verantwortet fünf Prozent der Rüstungsexporte in alle Welt und ist damit Europameister im Waffenhandel.[1]
Die führenden rüstungsproduzierenden und -exportierenden Konzerne Deutschlands sind in den »SIPRI Top 100« für das Jahr 2013 wie folgt benannt: Auf Platz 7 im SIPRI-Ranking findet sich der deutsch-französische Rüstungsriese Airbus (vormals EADS) mit Sitz in Amsterdam aufgrund von Waffenverkäufen im Wert von 15.740.000.000 US-Dollar.
In der Liste der weltweit führenden Rüstungskonzerne folgen die Top 4 mit Stammsitz in Deutschland:
Auf Rang
32 Rheinmetall mit Waffenverkäufen im Wert von 2.860.000.000 US-Dollar
57 ThyssenKrupp mit Waffenverkäufen im Wert von 1.770.000.000 US-Dollar
61 Diehl-Gruppe mit Waffenverkäufen im Wert von 1.230.000.000 US-Dollar
72 Krauss-Maffei Wegmann mit Waffenverkäufen im Wert von 1.010.000.000 US-Dollar.[2]
Der Ostermarsch Rhein-Ruhr trifft sich heute also nicht in einer beliebigen Stadt Deutschlands, sondern am Stammsitz des größten deutschen Rüstungskonzerns: der Rheinmetall AG mit ihrer Rüstungssparte Rheinmetall Defence.
Umso wichtiger ist, dass ihr heute gekommen seid und laut sagt:
Für Düsseldorf ist der Rüstungsriese Rheinmetall kein Vorzeigekonzern, sondern schlichtweg eine Schande!
BSR-Entscheidungen – nicht alles, was legal ist, ist auch legitim
Rheinmetall Defence ist heute – nach zahlreichen Umstrukturierungen – in die Geschäftsbereiche Divisions Combat Systems, Electronic Solutions und Wheeled Vehicles unterteilt. Die Produktpalette umfasst sowohl non-letale auch aus letale, also tödliche Waffen. Als Global Player verkauft Rheinmetall Defence weltweit Militärfahrzeuge, Munition und Kriegswaffen bzw. deren Bestandteile. Zu ihnen zählt u.a. die Glattrohrkanone für den Kampfpanzer Leopard 2 von Krauss-Maffei Wegmann.
Dank der Initiative der Bundestagsabgeordneten Jan van Aken, Christine Buchholz, Annette Groth, Kathrin Vogler u.a. von der Fraktion Die Linke wissen wir, welche problematischen Rüstungsexporte Rheinmetall außerhalb der Nato und der EU mit Zustimmung der jeweiligen Bundesregierung getätigt hat:
Der Bundessicherheitsrat (BSR) entscheidet unter Führung des Kanzlers bzw. der Kanzlerin und ihres jeweiligen Stellvertreters mit sieben weiteren Ministern immer dann, wenn es um besonders brisante Waffentransfers geht. Ich nenne im Folgenden selektiv diejenigen Rüstungsexporte von Rheinmetall, die vom BSR bzw. vom vorbereitenden Ausschuss seit 2003 genehmigt wurden:
Export der »Teile für Mörser« der Rheinmetall Landsysteme GmbH an Ägypten im Gesamtvolumen von 2,3 Millionen Euro im Juli 2003;
- Export von einem »Schützenpanzerturm mit Bewaffnung« der Rheinmetall Landsysteme GmbH an Ägypten im Gesamtvolumen (ohne Angabe des Finanzvolumens) im Oktober 2003;
- Export von »2.438 St. Teile für Kanonenmunition und 19.748 kg Teile für Kanonenmunition« der Rheinmetall Waffe & Munition GmbH an Saudi-Arabien (ohne Angabe des Finanzvolumens) im Januar 2004;
- Export der »Teile für Radpanzer« der Rheinmetall Landsysteme GmbH an Ägypten im Gesamtvolumen von 2,7 Millionen Euro im April 2004;
- Export von »1 St. Transportpanzer zur Erprobung« der Rheinmetall Landsysteme GmbH an Kroatien (ohne Angabe des Finanzvolumens) im November 2004;
- Export von »1 St. Transportpanzer« der Rheinmetall Landsysteme GmbH an Algerien (ohne Angabe des Finanzvolumens) im April 2008;
- Export der »Technologie für Maschinenkanone« der Rheinmetall Waffe Munition GmbH an Libyen [im Gesamtvolumen von »200« Euro – Anm. JG: ev. 200 Mio./unklar] im Juni 2008;
- den Export von »200.000 St. Handgranaten, 200.000 St. Munition für Granatmaschinenwaffen, 200.000 St. Teile für Munition für Granatmaschinenwaffen, 200.000 St. Munition für Pistolen, 200.000 St. Teile für Munition für Pistolen« der Rheinmetall GmbH an Saudi-Arabien (ohne Angabe des Finanzvolumens) im Februar 2007;
- Export von »Munition« von Rheinmetall Waffe Munition an Saudi-Arabien im Gesamtvolumen von 250.000 Euro im Juni 2007;
- Export der »Technologie für Radpanzer« der Rheinmetall Radfahrzeuge GmbH an Indien im Gesamtvolumen von 50.000 Euro im November 2010;
- Export der »Teile für Radpanzer« von Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH an Ägypten im Gesamtvolumen von 48.738 Euro im Mai 2011;
- Export zahlreicher »LKW«, als militärischer Lastkraftwagen, der Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH an die Vereinigten Arabischen Emirate im Gesamtvolumen von 1,2 Millionen Euro im Mai 2011;
- Export von »Teile für Radfahrzeug« der Rheinmetall Defence Electronics GmbH an Ägypten im Gesamtvolumen von 24.900 Euro im Oktober 2012
- Export der »Ersatzteile für Bewaffnung« zur Probe ausgelieferten Radpanzers BOXER der Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH an Kuwait (vorübergehende Ausfuhr zu Erprobungszecken / ohne Angabe des Finanzvolumens) im Oktober 2014;
- Export diverser »Prototypenmuster für Elektro-optisches Aufklärungs- und Beobachtungssystem« der Rheinmetall Defence Electronics GmbH an Saudi-Arabien im Gesamtvolumen von 16.806.900 Euro im Oktober 2014 sowie der
- Export der »Munition für Granatwaffen Kal. 40mm« der Rheinmetall Waffe Munition GmbH an die Vereinigten Arabischen Emirate (ohne Angabe des Finanzvolumens) im Oktober 2014.[3]
Allein diese Übersicht offenbart einen vielsagenden Einblick in die Jahre währende hemmungslose Rüstungsexportpraxis der Rheinmetall AG. Nein, mit diesen Exporten von Kriegswaffen und Rüstungsgütern (z.B. Militärfahrzeugen) hat sich das Rheinmetall-Management keiner rechtlichen Verfehlungen schuldig gemacht – wohlgemerkt aber moralisch und ethisch schwerste Schuld auf sich geladen.
Vollmundig verkündet der amtierende Vorstandsvorsitzende Armin Papperger bezüglich der Corporate Social Responsibility: »Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, Offenheit und Transparenz – nach diesen Prinzipien steuern wir Rheinmetall.« Und weiter behauptet Papperger: »Aber wir wollen nur solche Geschäfte machen, die […] sich mit den Regeln der guten Unternehmensführung und Compliance vertragen.« [4]
Herr Papperger: Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Wir verurteilen Waffenexporte – gerade an menschenrechtsverletzende Staaten – als unmoralisch und unethisch!
Herr Papperger, wir fordern Sie und den gesamten Rheinmetall-Defence-Vorstand auf: Halten Sie endlich die eigenen Regeln der guten Unternehmensführung und der Compliance ein!
Der Tod ist ein Meister aus Düsseldorf – und aus Berlin
Die Waffen-, Fahrzeug- und Munitionslieferungen von Rheinmetall zeitigen dramatische Folgen, wie – pars pro toto – die Beispiele Ägypten, Saudi-Arabien und Algerien belegen:
In den Lieferjahren regierte in Ägypten der Diktator Muhammad Husni Mubarak. Bei der Niederschlagung des Arabischen Frühlings der Demokratiebewegung durch den gewaltsamen Einsatz von Waffen und Militärfahrzeugen (2010 und 2011) kamen seitens ägyptischer Sicherheitskräfte nachweislich auch Radpanzer des Typs »Fahd« zum Einsatz.
Etwa 850 Demonstranten wurden von ägyptischen Sicherheitskräften bei den gewaltsamen Militär- und Polizeieinsätzen getötet.
Designer des Fahd war Thyssen Henschel, der spätere Geschäftsbereich Rheinmetall Landsysteme.[5] Mit den Lieferungen der »Teile für Mörser«, des »Schützenpanzerturms mit Bewaffnung« und der »Teile für Radpanzer« hat Rheinmetall das diktatorische Regime Mubaraks massiv unterstützt.
In Saudi-Arabien wurden und werden Menschenrechte massiv verletzt, werden konvertierte Christinnen und Christen sowie politische Oppositionelle öffentlich exekutiert, bedrohen und überfallen die Streitkräfte völkerrechtswidrig Nachbarländer – zurzeit erfolgt eine Militärintervention der saudi-arabischen Armee im Jemen.
Dessen ungeachtet belieferte Rheinmetall seit Jahren – und aktuell erneut seit Oktober 2014 – das wahhabitische Herrscherhaus in Riad, u.a. mit Hunderttausenden von Handgranaten, Munition für Granatmaschinenwaffen und für Pistolen sowie weiteren Waffensystemen.
Seit Jahren bemängelt Amnesty International schwere Menschenrechtsverletzungen, u.a. die Unterdrückung des Arabischen Frühlings und die Verfolgung von Gewerkschaftern durch das algerische Regime unter Führung des Staatsoberhauptes Abdelaziz Bouteflika.
Auch das Auswärtige Amt (AA) kritisiert aktuell die Menschenrechtslage in Algerien: Demnach bestehen Menschenrechtsverletzungen im Land weiterhin fort. Wörtlich schreibt das AA: »Nichtregierungsorganisationen kritisieren insbesondere Einschränkungen bei der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.« Auch die Aufklärung des Schicksals der in früheren Jahren verschwundenen Personen bleibe ein Thema.[6]
Ungeachtet der desaströsen Menschenrechts- und auch Sicherheitslage in Algerien lieferte Rheinmetall 2008 einen ersten Transportpanzer an die Militärs von Bouteflika. Entgegen aller Versprechungen einer menschenrechtsorientierten Rüstungsexportpolitik genehmigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, SPD, im Sommer 2014 den Export einer ganzen Panzerfabrik für Fuchs-Transportpanzer von Rheinmetall an Algerien.
An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass Rheinmetall-Waffen und -Fahrzeuge bzw. deren Bestandteile sowie Munition mit Genehmigung der wechselnden Bundesregierungen zu Menschenrechtsverletzungen sowie in Kriegen und Bürgerkriegen eingesetzt werden.
In einer unausgesprochenen Allparteienkoalition haben die Kanzler, Vizekanzler bzw. Minister von CDU/CSU, SPD, FDP und von Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bundessicherheitsrat Kriegswaffenexporte an Kriegstreiber, Menschenrechtsbrecher und Diktatoren genehmigt.
Der Tod ist also nicht nur ein Meister aus Düsseldorf. Der Tod ist auch ein Meister aus Berlin! Denn nur dank der Zustimmung von Kanzlern und Bundesministern konnten und können Kriegswaffen und Rüstungsgüter von Rheinmetall-Waffen in Kriegen und Bürgerkriegen eingesetzt werden.
Wir fordern von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel: Halten Sie Ihr zur Bundestagswahl 2013 unmissverständlich formuliertes Versprechen und stoppen Sie endlich die menschenverachtende Genehmigungspolitik beim Waffenhandel!
Wir fordern von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Ministern im Bundessicherheitsrat: Verbieten Sie alle Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten!
Opfer und Täter der Rheinmetall-Rüstungsexporte
Als Buchautor bereise ich seit vielen Jahren in Kriegs- und Kriegsgebiete. Vor Ort recherchiere über den Einsatz deutscher Kriegswaffen und spreche mit Überlebenden. Bei meinen Rüstungsrecherchen treffe ich Opfer der skrupellosen Rüstungsexportpolitik deutscher Waffenexporteure. Dabei begegne ich traumatisierten Menschen, die mich an die Gräber ihrer Kinder, ihrer Eltern oder Großeltern führen. Ich treffe verkrüppelte Menschen ohne Arme oder Beine und Menschen mit Munitionsresten in den eitrigen Wunden der Körper oder Köpfe.
In Büchern – wie »Versteck dich, wenn sie schießen« – biografiere ich Opfer deutscher Waffenexporte. Im »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient« habe ich Täterprofile führender Politiker und Rüstungsmanager veröffentlicht.
Die tödlichsten aller Waffen sind die sogenannten »Kleinwaffen«. Allein mit Pistolen, Maschinenpistolen. Sturmgewehren, Maschinengewehren und Scharfschützengewehren der Oberndorfer Waffenschmiede Heckler & Koch sind bis zum heutigen Tag mehr als zwei Millionen Menschen erschossen worden. Weitaus mehr werden zeitlebens verstümmelt und traumatisiert.
Ich weiß nicht, wie viele Menschen ihr Leben durch den Einsatz von Rheinmetall-Waffen bisher ums Leben gekommen sind. Sind es Zehntausende, Hunderttausende oder noch mehr Menschen?
Klar dagegen ist, wer die Verantwortung trägt für die Rheinmetall-Waffentransfers: Bis zum 31. Dezember 2011 verantwortete der Vorstandsvorsitzende Klaus Eberhardt die Rüstungsexportgeschäfte von Rheinmetall. Seither regelt sein Nachfolger Armin Papperger als Chef der Rüstungssparte und amtierender Vorstandsvorsitzender den Waffenhandel des Düsseldorfer Rüstungsriesen – u.a. mit Ägypten, Kuwait, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und aktuell auch mit Algerien.[7]
Beide Rüstungsmanager sind Täter und tragen damit Mitschuld am Export und somit auch mörderischen Einsatz von Rheinmetall-Waffen in Krisen- und Kriegsgebieten.
Herr Papperger, unter Ihrer Führung ist der Tod ein Meister von Rheinmetall. Nachdrücklich haben Sie bewiesen, dass Sie der falsche Manager sind, um die notwendige Umstellung der Rheinmetall AG auf rein zivile Fertigung zu vollziehen.
Deshalb kann unsere Forderung nur lauten: Herr Papperger, treten Sie aufgrund Ihrer Mitverantwortung für das weltweite Morden mit Rheinmetall-Waffen von allen Ihren Ämtern im Unternehmen zurück!
Thyssen Krupp (TKMS) – U-Boote für den Atomwaffenstaat Israel
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, am morgigen Ostersamstag treffen sich Ostermarschierer auch in Essen. Auch dort hat ein weiterer führender deutscher Rüstungsexporteur seinen Sitz: Die ThyssenKrupp AG.
Die Historie des Essener Stahl- und Waffenkonzerns ist eine der skandalösesten weltweit. Nicht anders als bei Rheinmetall zählt bei ThyssenKrupp einzig und allein der Profit durch Waffenhandel – selbst an verfeindete Staaten.
In den vergangenen Jahren belieferte ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS, früher HDW) Israel mit mehreren U-Booten, auf denen die israelische Marine Atomwaffen stationiert hat. Aktuell wird das verfeindete Ägypten mit U-Booten von TKMS hochgerüstet.
Erfolge der Kampagne
»Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«
Im Wissen um die menschenverachtende Rüstungsexportpraxis der deutschen Rüstungsindustrie und um die hemmungslose Genehmigungspolitik der Bundesregierung haben wir im Jahr 2011 die Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!« gegründet. Heute sind wir mit 16 Trägerorganisationen und weit mehr als hundert Mitgliedsorganisationen im Aktionsbündnis das breiteste Bündnis gegen Waffenhandel, das es je in Deutschland gegeben hat.
Wir streben in Artikel 26 (2) eine Grundgesetzergänzung an, wonach Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter grundsätzlich nicht exportiert werden dürfen.
Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel sind aus unserer Sicht die Umsetzung folgender Forderungen:
- keine Rüstungsgüter an menschenrechtsverletzende Staaten
- keine Rüstungsgüter an kriegführende Staaten
- Exportverbot von Kleinwaffen und Munition
- keine Hermesbürgschaften für Rüstungsexporte
- keine Lizenzvergaben zum Nachbau deutscher Kriegswaffen.
Unübersehbar zeichnet sich ab, dass sich die Aufschrei-Kampagne zu einem Erfolgsmodell ohnegleichen entwickelt. Einen ersten großen Erfolg konnten wir – gemeinsam mit den engagierten Aktivistinnen und Aktivisten der Kampagne »Legt den Leo an die Kette« – bereits in den vergangenen beiden Jahren verbuchen:
Nachdrücklich drängten saudi-arabische Militärs auf die Lieferung von 280 Leopard-2-Kampfpanzern. Anfänglich hatte die CDU/CSU/FDP-geführte Bundesregierung ernsthaft die Genehmigung zum Export schweren Geräts an Riad erwogen. Mit unserer bundesweit organisierten Gegenkampagne konnte der Export verhindert werden.
Im Juli 2014 reichten Paul Russmann und ich als Sprecher der Aufschrei-Kampagne Strafanzeige gegen den Kleinwaffenproduzenten Sig Sauer in Eckernförde ein. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft Kiel. Hier besteht der Verdacht, dass das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz durch den Export einer großen Zahl von Pistolen in das Bürgerkriegsland Kolumbien verletzt worden sind.
Wenige Tage nach unserer Strafanzeige wurde ein Exportverbot gegenüber Sig Sauer verhängt, was das ehedem angeschlagene Unternehmen in noch größere finanzielle Schwierigkeiten brachte. Jetzt ist in Deutschland endgültig Schluss mit der Kleinwaffenproduktion.
Einzig Sportwaffen werden noch bei Sig Sauer gefertigt. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
Auch bei meinen Strafanzeigen gegen Heckler & Koch können Erfolge verbucht werden: Im ersten Jahr nach Erstattung der ersten Strafanzeige gegen H&K vom April 2010 wurde ab 2011 seitens des Bundeswirtschaftsministeriums ein bis heute währendes Genehmigungsverbot für Kleinwaffenexporte nach Mexiko verhängt. H&K treffen solche Exportbeschränkungen hart, wie die Betriebsratsvorsitzende aktuell eingestanden hat.
Jetzt ist die Zeit gekommen, dass endlich auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart – fünf lange Jahre nach meiner Strafanzeige vom April 2010 – Anklage erhebt gegen die Verantwortlichen von Heckler & Koch! Längst ist bewiesen, dass rund 4500 Sturmgewehre des Typs G36 von H&K in verbotene Unruheprovinzen Mexikos gelangt sind. Das Zollkriminalamt bestätigt den Bruch des Kriegswaffenkontrollgesetzes.
Um den Druck auf die Justiz zu erhöhen, führen wir am 17. April die Aktion »Der Tod dankt der Staatsanwaltschaft Stuttgart« durch – macht mit!
Die nächste gute Nachricht: Der Rüstungsriese Airbus (vormals EADS) verbucht immense Erfolge in der zivilen Luftfahrt, schreibt aber Verluste bei der Rüstungsproduktion. Damit wächst der Druck zum Abbau von Rüstungsproduktionskapazitäten. Angesichts des gewaltigen Auftragsbestands im Zivilbereich von Airbus kann die Militärproduktion getrost beendet werden – und das ohne Arbeitsplatzverlust.
Bei Rheinmetall dagegen ist die Zukunftsfrage offen: Noch im März diesen Jahres verkündete Armin Papperger, er rechne nach vormals roten Zahlen für 2014 wieder mit Gewinnen im Defence-Bereich. Der Umsatz des Rüstungssektors werde sich voraussichtlich auf rund 2,4 Milliarden Euro belaufen.
Statt dem geplanten sieben- bis achtprozentigen EBIT würden der Gewinn vor Zinsen und Steuern lediglich drei Prozent betragen.[8] »Schwaches Rüstungsgeschäft belastet Rheinmetall«, titelte die Rheinische Post.[9]
Wir fragen die Rheinmetall-Führung: Wann, wenn nicht jetzt ist die Zeit zur Rüstungskonversion gekommen?
Erfreulicher Weise regt sich in Rüstungsbetrieben Widerstand gegen Waffenhandel. Die IG Metall weist den Weg. Im September 2014 verabschiedete die Delegiertenversammlung der IG Metall Stuttgart eine Resolution über Rüstungs- und Waffenexporte. Darin wird massiv kritisiert, dass in Deutschland auch Produkte hergestellt werden, »die ausschließlich zum Töten von Menschen hergestellt wurden«. Gemessen am Gesamtexportvolumen Deutschlands sei die Summe dennoch »vernachlässigbar, entspricht sie doch gerade einmal 0,6% der gesamten deutschen Exporte. Auch ist die Anzahl der Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie eher gering (Schätzungen liegen bei 80.000 bis 100.000), aber die moralische Komponente dieser Produktion ist doch sehr bedrückend. Denn: Rüstungsproduktion ist kein ‚normaler‘ Industriezweig. Hier werden mit Blut, Mord und Kriegen Höchstprofite erwirtschaftet – eine menschenverachtende Produktion.«
Arbeitsplatzverluste in der Rüstungsindustrie sollen durch Wandlung in Arbeitsplätze zur Herstellung ziviler, gesellschaftlich notwendiger Produkte kompensiert werden. Die Konversionsdebatte müsse »in den Rüstungsbetrieben nachhaltig geführt werden. Hier übernimmt die IG Metall eine aktive und steuernde Rolle«.
Und noch eine Tatsache, die Mut macht: 78 Prozent der Deutschen sind laut einer repräsentativen Emnid-Umfrage für einen völligen Stopp des Waffenhandels. Wir sind die Mehrheit, diese gilt es zu mobilisieren!
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
wir wollen den Schwung positiver Entwicklungen mit in die kommende Phase des Widerstands nehmen. Am 12. Mai findet die diesjährige Hauptversammlung der Rheinmetall AG im MARITIM Hotel in Berlin statt. Schon jetzt organisiert die Kampagne »Legt den Leo an die Kette« mit »Aktion Aufschrei« den Gegenprotest unter dem Motto »Rheinmetall entrüsten!« [10]
Lasst uns das Motto der Berliner Friedensfreunde aufgreifen und in die Republik hinausrufen: Stoppt den Waffenhandel – entrüstet Deutschland!
Vielen Dank.
Jürgen Grässlin
ist Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.).
Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Zuletzt verfasste er das »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient«; im Sommer 2015 erfolgt die 100. Lesung.
Grässlin wurde mit mehreren Preisen für Frieden und Zivilcourage ausgezeichnet, u.a. mit dem »Aachener Friedenspreis«. Aktuell wurde ihm am 10. Dezember 2014 der Kirchheimbolandener Friedenspreis und am 1. März 2015 der AMOS-Preis der Offenen Kirche Württemberg verliehen.
Kontakt
Tel.: 0761-7678208, Mob.: 0170-6113759, graesslin@dfg-vk.de
Wichtige Websites
www.juergengraesslin.com, www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg-vk.de, www.rib-ev.de und www.kritischeaktionaere.de
Quellen
[1] TRENDS IN INTERNATIONAL ARMS TRANSFERS, 2014, veröffentlicht im März 2015, Seite 2, www.sipri.org
[2] The SIPRI top 100 arms-producing companies, 2013, Seite 3 ff., www.sipri.org
[3] Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke »Rüstungsexportentscheidungen des Bundessicherheitsrates« (BSR) (BT-Drucksache 18/3002) vom 29.10.2014 und Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries vom 27.02.2015.
[4] »Corporate Social Responsibility« von Rheinmetall Defence, siehe http://www.rheinmetall-defence.com/de/rheinmetall_defence/company/corporate_social_reponsibility/index.php
[5] »Fahd (armored personnel carrier)« siehe http://en.wikipedia.org/wiki/Fahd _(vehicle)
[6] Grässlin, Jürgen: »Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient«, München 2013, Kapitel 5.6 »Kriegsprofiteur Rheinmetall«, S. 309 ff. und S. 319
[6] Stellungnahme des Auswärtigen Amtes, Stand 30.03.2015, siehe http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Algerien/Innenpolitik_node.html
[7] »Zwei weitere U-Boote für Israel« von Otfried Nassauer vom 13.02.2015, siehe www.bits.de
[8] »Rheinmetall setzt verstärkt auf Rüstung«, dpa-Meldung vom 20.03.2015
[9] »Schwaches Rüstungsgeschäft belastet Rheinmetall« in Rheinische Post vom 20.03.2015
[10] »Rheinmetall entrüsten!« Protestaktion anlässlich der Rheinmetall-Hauptversammlung am 12.05.2015 in Berlin; Kontakt: Heinz D. Kappei, Jenaerstr. 1, 10717 Berlin, kappei@web.de