DAKS-Newsletter März 2015 ist erschienen!

Die vergangenen Wochen waren von Protestaktionen der Friedensbewegung gegen die deutsche Rüstungsexportpolitik und gegen die Tätigkeit des Kleinwaffen-Herstellers Heckler & Koch geprägt. Bereits am 28. Februar fand eine Demonstration in Oberndorf statt. Und am 23.März fand eine Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages statt, in der Aktion Aufschrei! Gelegenheit gegeben wurde, ihre Forderung nach einer Klarstellung des Grundgesetzes zu erläutern. – Mehr dazu im neuen Newsletter.

Dagegen fast unbemerkt, ist der Arms Trade Treaty in Kraft getreten. 50 Staaten haben den Vertrag ratifiziert und damit ist das Vertragswerk, das dem weltweiten Rüstungshandel ein gesetzliches Rahmenwerk geben soll, endlich Wirklichkeit geworden. Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.) würdigt das Geschehen in einem Hintergrundbericht.

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Auf dem Weg zu einem Rüstungsexportkontrollgesetz – „Aktion Aufschrei!“ im Petitionsausschuss!

Am 23. März 2015 war es endlich soweit: Der Petitionsausschuss des Bundestages hat die Sprecherin der Aktion Aufschrei, Christine Hoffmann, eingeladen, die Forderung nach einer Klarstellung von Art. 26 (2) des Grundgesetzes zu erläutern. Damit wurde die Leistung der Aktion gewürdigt, binnen weniger Monate über 95.000 Unterschriften gesammelt zu haben. Anerkannt wurde jedoch auch die Notwendigkeit, sich mit dem Thema Rüstungsexport zu beschäftigen, schließlich hat der Petitionsausschuss Sigmar Gabriel, als für den Bereich (Rüstungs-)Export zuständigen Bundeswirtschaftsminister zu seiner Sitzung hinzugebeten. Ein ungewöhnlicher Vorgang, durch den die Bedeutung unterstrichen wurde, die der Petitionsausschuss der Initiative einräumt. Schon diese Ergebnisse können und müssen als ein großer Erfolg gewürdigt werden. Die Anhörung selbst, die als Videomitschnitt auf der Website des Bundestags nachvollzogen werden kann, brachte jedoch weitere Überraschungen.

Denn nicht nur, dass Sigmar Gabriel tatsächlich an der Sitzung teilnahm, er drückte im Verlauf des Gesprächs auch seine Bereitschaft aus, auf die Forderungen von Aktion Aufschrei einzugehen. Christine Hoffmann fasste die Ergebnisse der Beratungen mit der Feststellung zusammen:

„Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat die Einladung angenommen und sich den Beratungen gestellt. Seine Zusagen:

  • im Zweifel gegen den Rüstungsexport zu entscheiden

und

  • „ich hab ja nichts gegen ein Rüstungsexportgesetz“.

Unserer Forderung nach der Klarstellung im Grundgesetz konnte er gestern nichts abgewinnen. Er sah darin entweder ein absolutes Verbot oder wenig Zugewinn. Liegt da nur ein Missverständnis vor?

Die Gespräche werden weiter gehen und wir bleiben dran!“

Die Anhörung im Petitionsausschuss wurde von dezentral organisierten, bundesweiten Aktion der Aktion Aufschrei begleitet. Genannt seien an dieser Stelle eine Mahnwache der Pax Christi-Gruppe in Reutlingen und eine Demonstration der „Friedensinitiative Konstanz“. Zentral und in Berlin wurde im Nachgang der Anhörung ein Pressegespräch organisiert. Auch dieses Gespräch wurde dokumentiert und kann als Audiomitschnitt eingesehen werden (siehe: Pressegespräch Teil 1 und Teil 2). Als Ergebnis ist ein großes Medienecho zu verzeichnen. Über die Beratungen des Petitionsausschusses berichteten die Süddeutsche Zeitung, die Zeit, Stern, Focus und das Hamburger Abendblatt. – Um nur einige zu nennen.

Angesichts dieser Erfolgsgeschichte kann man tatsächlich nur hoffen, dass die Gespräche weiter gehen werden und am Ende mindestens ein Rüstungsexportkontrollgesetz verabschiedet werden wird, das seinen Namen verdient.

Im Folgenden dokumentieren wir den Redebeitrag von Christine Hoffmann, Pax Christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne Aktion Aufschrei, mit der sie die Sitzung des Petitionsausschusses einleitete.

Darlegung der Petition am 23.03.2015 bei der Öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses

Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Abgeordnete,

sehr geehrte Mitarbeiter/innen aus Bundesministerien,

liebe interessierte Bürgerinnen und Bürger,

herzlichen Dank für die Einladung und die Möglichkeit Ziel, Motivation und Hintergrund unserer Petition hier mit Ihnen zu diskutieren. Hinter dieser Petition stehen über 95.000 engagierte Bürger/innen. Hinter dieser Unterschriftensammlung steht ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, die allein in den 900 Tagen von ihrem Start bis zur Bundestagswahl 452 Aktionen zum Thema – also quasi jeden zweiten Tag eine – gestaltet hat. Dahinter stehen Aktivist/innen, die sich selbst und andere informiert und sich für eine verantwortungsvolle deutsche Außenpolitik eingesetzt haben.

Die Petition will da, wo der gesellschaftliche Konsens formuliert ist, die Grundlage für die notwendige Umkehr in der deutschen Rüstungsexportpraxis klarstellen. Angesichts der skandalösen Anwendungspraxis der bestehenden Gesetze erscheint es uns notwendig, die implizite Aussage des Grundgesetzes zu diesem Thema expressis verbis in den Friedensartikel aufzunehmen. Es geht um Artikel 26 GG. Ich möchte den ganzen Artikel hier zitieren:

Satz (1) Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Satz (2) Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Wir halten das Friedensgebot des Grundgesetzes hoch und fordern den Deutschen Bundestag auf, im Grundgesetz das klarzustellen, was im Geist des Artikels 26 ohnehin enthalten ist. Deshalb soll es künftig in Artikel 26 Satz 2 des Grundgesetzes heißen:

Zur Kriegsführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt das Kriegswaffenkontrollgesetz. Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden grundsätzlich nicht exportiert. Das Nähere regelt das Rüstungsexportgesetz.

Warum greifen wir quasi nach den Sternen und setzen uns für eine Grundgesetzänderung ein? Die deutschen Regelungen zum Rüstungsexport sind im internationalen Vergleich sehr scharf. Aber das deutsche Regelwerk der Rüstungsexportpolitik wurde in den vergangenen Jahrzehnten lax statt restriktiv gehandhabt. Anscheinend ist es genau das Bermuda-Dreieck von Kriegswaffenkontrollgesetz, Außenwirtschaftsgesetz und den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, das dazu führt:

  • dass Deutschland Europas größter Exporteur von Kleinwaffen ist
  • dass Deutschland weltweit derzeit der viertgrößte Waffenhändler ist
  • dass zu den größten Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte Länder gehören, denen gleichzeitig der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung eine sehr schlechte Menschenrechtslage attestiert.

Die Philosophien von Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz, nach dem die Rüstungsexporte entschieden werden, widersprechen sich diametral. Der Sündenfall gegenüber dem Artikel 26.2 des Grundgesetzes geschah 1961 unter dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß mit der Verabschiedung der beiden für den Export von Rüstungsgütern zuständigen Gesetze Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG) und Außenwirtschaftsgesetz (AWG). Während das Kriegswaffenkontroll-Gesetz den Export von Kriegswaffen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt – verboten ist alles, was nicht explizit erlaubt ist –, funktioniert das AWG wie ein Außenwirtschaftsförderungsgesetz. Erlaubt ist alles, was nicht explizit verboten wird. Seitdem wird das Interesse an guten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen quasi als Generalvollmacht genommen und zur regelmäßigen Berufungsgrundlage für die Befürwortung von Rüstungsexporten gemacht. Seitdem wurde die Genehmigung von Rüstungsexporten von der Ausnahme zur Regel und das widerspricht dem Geist des Grundgesetzes.

Die Anwendungspraxis der deutschen Rüstungsexportregelungen ist der langanhaltendste Skandal der deutschen Außenpolitik. Produktion und Handel mit Kriegswaffen und Rüstungsgütern sind kein Geschäftsfeld wie jedes andere. Nach der grausamen Erfahrung des Zweiten Weltkrieges wollten die Mütter und Väter des Grundgesetzes sicherstellen, dass Deutschland nicht dazu beiträgt, wieder aufzurüsten oder Konflikte kriegerisch zu lösen. Dennoch werden heute aus Deutschland vielfach Waffen in Krisenstaaten geliefert, wo sie bewaffnete Konflikte erst möglich machen, verschärfen oder verlängern. Solcherart gewalttätige Situationen veranlassen viele Menschen zur Flucht. Rüstungsexporte und Fluchtursachen stehen in deutlichem Zusammenhang. Um das zu stoppen, bedarf es einer Umkehr in der Rüstungsexportpolitik. Die intensive öffentliche Debatte über den Export von Kriegswaffen und Rüstungsgütern hat bereits beachtliche Erfolge und Dynamik in die Auseinandersetzung gebracht. Trotzdem ist noch immer keine demokratische Kontrolle der Regierungspolitik möglich.

  • Zum Beispiel wird über die wichtigen Voranfragen der Rüstungsindustrie immer noch geheim im Bundessicherheitsrat entschieden.
  • Nach Saudi-Arabien, das sei hier exemplarisch genannt, werden zwar keine Leopard II-Panzer genehmigt – diese Entscheidung, weiß ich sehr zu schätzen – aber weiterhin wird dieses Land, dessen Menschenrechtslage sehr schlecht ist, beliefert mit Teilen für Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Flugabwehrsysteme, Ausrüstung für elektronische Kampfführung, Flugkörpern, Abfeuereinrichtungen etc. und das im 1. Halbjahr 2014.
  • Es gäbe noch viel zu sagen…

Die Klarstellung im Grundgesetz soll den Weg dafür ebnen, gesetzlich zu regeln, was notwendig ist, um den Export von Terror und Gewalt made in Germany zu beenden. Die von den Kirchen seit Jahren geforderte Transparenz ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zur Durchsetzung einer restriktiven Genehmigungspraxis, wenn es um Rüstungsexporte geht. Ich erhoffe mir, dass dieser Ausschuss eine Empfehlung an den Deutschen Bundestag ausspricht, ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, um im Grundgesetz durch die genannte Änderung des Wortlauts eine Klarstellung des ohnehin Gemeinten zu vollziehen.

Oberndorf: Protestaktion gegen Heckler & Koch

Auf der Internetseite der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ gibt es Berichte und Videos der Protestaktion, die unter dem Motto „Damit der Mensch nicht zur Zielscheibe“ am 28. Februar in Oberndorf stattfand. Unter anderem berichtete die Neue Rottweiler Zeitung und der SWR (ab Min. 2:20) über diese Kundgebung und Mahnwache. Heckler & Koch veröffentlichte derweil eine Medienmitteilung mit dem Inhalt, dass kein finanzielles Problem bestünde.

Arms Trade Treaty: Vertrag in Kraft, Umsetzung in Sicht

Von Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.)

Heiligabend, den 24. Dezember letzten Jahres, trat das Abkommen zur Kontrolle des weltweiten Waffenhandels (Arms Trade Treaty, kurz: ATT) in Kraft – zwölf Jahre, nachdem Oxfam, Amnesty International und viele andere NRO mit ihrer Kampagne „Control Arms“ (Waffen unter Kontrolle) die Initiative dazu gestartet hatten, und 90 Tage, nachdem die 50. Ratifikationsurkunde bei den Vereinten Nationen hinterlegt worden war (Argentinien, Bahamas, Bosnien und Herzegowina, Costa Rica, Mexiko, Portugal, Senegal, St. Lucia, Tschechien, Trinidad und Tobago und Uruguay hatten diesen Schritt gleichzeitig am 25.9.2014 vollzogen). Seither sind die Bestimmungen des ATT für alle Staaten, die den Vertrag bereits ratifiziert haben, rechtlich verbindlich.

Die erste Konferenz der Vertragsstaaten wird vom 24. bis 28. August 2015 in Mexico City stattfinden. Zu deren Vorbereitung wurde am 27./28.11.2014 ein erstes informelles Staatentreffen in Berlin und am 23./24. Februar 2015 ein erstes formelles Treffen in Port of Spain (Trinidad und Tobago) abgehalten. Bei beiden Treffen wurden die wichtigsten Themenkomplexe bezüglich der Vertragsumsetzung diskutiert:

1) die weiteren Verfahrensregeln (Rules of Procedures – ein erster Entwurf wurde von Mexiko vorgelegt),

2) Teilnahmeregeln (nur Vertragsstaaten oder auch Nichtvertragsstaaten, Industrie und zivilgesellschaftliche NRO sowie deren Teilnahmestatus – aktiv oder passiv),

3) Finanzierung des Vertragsregimes (Frage der Bemessungsgrundlage der Kostenbeiträge von Vertragsstaaten),

4) Sitz des künftigen Vertragssekretariats (Kandidaten sind Port of Spain, Genf und Wien) sowie dessen Größe und Zusammensetzung,

5) Berichterstattung über Rüstungstransfers durch die Vertragsstaaten (in Port of Spain wurde beschlossen, dass der erste Bericht (für das Jahr 2015) bis zum 31.5.2016 vorgelegt werden soll; offen sind noch genaue Struktur und Umfang der Berichte). Control Arms hat dazu kürzlich das Online-Projekt „ATT Monitor“ gestartet. Dort werden die Positionen und Praktiken der Vertragsstaaten zur Berichterstattung über Rüstungsexporte dokumentiert.

Am 20./21. April soll es noch ein informelles Vorbereitungstreffen in Wien und am 7./8. Juni eine zweite und letzte formelle Vorbereitungskonferenz in Genf geben.

Die von Control Arms koordinierten Nichtregierungsorganisationen hatten zu den bisherigen Vorbereitungstreffen in Berlin und in Port of Spain unbeschränkten Zugang und konnten ihre Positionen im Plenum „auf Augenhöhe“ mit den Regierungsdelegationen einbringen. Ob dies auch für die künftigen formellen Vertragsstaatenkonferenzen gelten wird, ist jedoch keineswegs sicher. Ausgerechnet einige EU-Staaten, darunter auch Deutschland, die bisher eine weitgehende Einbeziehung von NRO in den ATT-Prozess befürwortet hatten, sprechen sich dagegen aus. Grund dafür scheint die Sorge zu sein, dass dann auch Gruppen wie z.B. die NRA volle Teilnahmerechte erhalten würden, die die Ziele und Grundsätze des ATT prinzipiell ablehnen. Control Arms setzt sich dagegen unter Berufung auf die Präambel des ATT für eine differenzierte Teilnahmeregelung ein: Demnach sollten nur NRO aktiv an allen Sitzungen teilnehmen und z.B. Statements abgeben können, die erklärtermaßen die grundlegenden ATT-Ziele unterstützen. Die übrigen hätten lediglich einen Beobachterstatus und somit weniger Möglichkeiten, konstruktive Prozesse gezielt zu untergraben.

ATT – Jetzt kommt es auf die Praxis an

Von Robert Lindner (Oxfam Deutschland e.V.)

Das Datum war Zufall, doch die Symbolik passte: Für viele, die sich wie ich selbst seit Jahren für das Zustandekommen des UN-Waffenhandelsabkommens eingesetzt hatten, war sein formelles Inkrafttreten am 24. Dezember letzten Jahres ein besonderer Moment. Doch was dieser Vertrag wirklich wert ist, ob dadurch Menschen in aller Welt künftig wirklich besser vor unverantwortlichen Waffentransfers geschützt werden können, muss sich erst in der Umsetzung erweisen.

Keine Frage – der ATT entspricht nicht exakt jenem auf größtmögliche Restriktion zielendem Kontrollinstrument, das internationale NGO-Aktivisten vor über 12 Jahren beim Start der Control-Arms-Kampagne im Sinn gehabt hatten. Damit der Vertrag innerhalb der Vereinten Nationen von einer deutlichen Mehrheit der Staaten beschlossen werden konnte, mussten am Ende teilweise empfindliche Zugeständnisse gemacht werden – zum Beispiel bei den Genehmigungskriterien, bei denen sicherheits- und wirtschaftspolitische Eigeninteressen einiger Rüstungsexportstaaten eine wirklich unmissverständliche Regelung zur Verhinderung unverantwortlicher Waffentransfers verhindert haben. Schmerzlich sind auch die Lücken bei der Definition der kontrollpflichtigen Güter, da z.B. Komponenten, Technologie und Dual-use-Güter fehlen. Es ist daher zu einem gewissen Grad verständlich, dass manche kritische Beobachter des ATT-Prozesses nun von einem zahnlosen Kontrollinstrument sprechen.

Auf der anderen Seite sind mit dem ATT erstmals überhaupt globale Regeln für den Waffenhandel erlassen worden, die das Ziel haben, menschliches Leid zu verringern. Und es ist durchaus auch einiges an Kernsubstanz erhalten geblieben, für die Oxfam, Amnesty und andere jahrelang gekämpft haben. So findet sich in Artikel 6 ein klares Verbot von Rüstungstransfers, wenn klar ist, dass damit Kriegsverbrechen und andere schwere Brüche des humanitären Völkerrechts begangen würden. Ferner ist im Kriterienteil (Artikel 7) die von Control Arms eingeforderte „goldene Regel“ im Grundsatz enthalten (keine Genehmigung, wenn ein eindeutiges Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen besteht) – auch wenn im selben Textzusammenhang den Genehmigungsbehörden die Möglichkeit eröffnet wird, die negativen Auswirkungen von Waffenlieferungen gegen deren vermeintlich positiven abzuwiegen. Ein großer Erfolg ist schließlich, dass es gelungen ist, im ATT auch Exporte und Importe von Munition – einschließlich für Kleinwaffen – den oben genannten Genehmigungskriterien zu unterwerfen.

Entscheidend wird jetzt sein, dass sich durch eine breite und restriktive Anwendung des ATT eine neue Norm herausbilden kann. Dabei ist zwar nicht davon auszugehen, dass Staaten wie Deutschland, die bereits über hoch entwickelte Kontrollsysteme verfügen, ihre Praxis dramatisch ändern werden. Je mehr Staaten jedoch, die bislang Waffenimporte oder -exporte kaum systematisch kontrolliert haben, dies jetzt im humanitären Sinn des ATT tun, desto stärker könnte der Druck auf alle Staaten werden, dieser Linie zu folgen.

SIG Sauer: Konversion?

Im Juli reichten Paul Russmann und Jürgen Grässlin, beide Kampagnensprecher der „Aktion Aufschrei“, über den Rechtsanwalt Holger Rothbauer Strafanzeige gegen den Kleinwaffenproduzenten SIG Sauer in Eckernförde ein. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt seither unter dem Aktenzeichen Az 545 Js 35003/14 wegen des Verdachts, dass das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz gebrochen worden sind.

Vorausgegangen waren Recherchen des Filmemachers Daniel Harrich, gesendet in seiner TV-Dokumentation „Waffen für die Welt“. In dem Film wird belegt, dass im Bürgerkriegsland Kolumbien Pistolen der Firma SIG Sauer im tödlichen Einsatz sind. Für diese Exporte gab es jedoch keine Ausfuhrgenehmigungen.

Es folgte ein Exportverbot gegenüber Sig Sauer, durch das das Unternehmen in große finanzielle Schwierigkeiten geriet. Nun scheint zumindest im deutschen Teil dieser Firma mit der Produktion militärischer Schusswaffen Schluss zu sein. Sportwaffen werden in Eckernförde weiterhin produziert.

Jedoch gibt es Kooperationsfirmen von SIG Sauer: In Isny (Baden-Württemberg) gibt es die Firma J.P. Sauer & Sohn GmbH und im schweizerischen Neuhausen die Firma SAN SWISS ARMS AG. In den USA, in Newington im Bundesstaat New Hampshire, werden unter dem Namen SIG Sauer Inc. ebenfalls Waffen dieser Firma hergestellt. Dorthin wird wahrscheinlich ein Teil der Rüstungsproduktion verlagert, sichere Informationen darüber liegen noch nicht vor. Offen ist ebenfalls, ob die Staatsanwaltschaft Kiel Anklage gegen führende Rüstungsmanager von SIG Sauer erheben wird, und wenn ja, wann das geschehen wird.

Jürgen Grässlin kommentiert die Vorgänge bei SIG Sauer folgendermaßen: „Den anderen Kleinwaffenproduzenten Carl Walter und Heckler & Koch, gegen die gleichsam Strafanzeigen unsererseits (CW) und meinerseits (H&K) anhängig sind, sollte das Schicksal von Sig Sauer zu denken geben. Ein Malheur wie bei Sig Sauer mit dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze kann verhindert werden, wenn der Prozess der Rüstungskonversion, der Umstellung auf eine sinnvolle zivile Fertigung, rechtzeitig eingeleitet wird.“

Bleibt zu hoffen, dass die Beendigung der Kriegswaffenproduktion und die Exporte solcher Waffen durch alle Firmen dieser Gruppe tatsächlich beendet wird – auch der Sportwaffen, deren Technik mitunter sehr gut zur militärischen Nutzung geeignet ist.

Die Eckernförder Zeitung, die Rhein-Neckar-Zeitung, die ARD und auch die Südeutsche Zeitung berichteten.

BITS: neuartige Datenbank zu Rüstungsexporten

Das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) hat eine Datenbank zu den von deutschen Firmen getätigten Rüstungsexporten vorgestellt. Dieses Internetportal mit der eingängigen Adresse www.ruestungsexport-info.de soll die geplanten, laufenden und abgeschlossenen deutschen Rüstungsexportgeschäfte der letzten beiden Jahrzehnte erfassen und öffentlich frei zugänglich machen. Die Datenbank basiert, so Christopher Steinmetz von BITS, auf einer kontinuierlichen Auswertung von Informationen aus dem Bundestag, der Rüstungsindustrie sowie den Fachzeitschriften und -portalen. Weiter heißt es in der Ankündigung, gerade die (High-Tech-)Rüstungskomponenten und der Technologietransfer würden selten thematisiert, obwohl sie einen Großteil des deutschen Rüstungshandels ausmachten. Ergänzt, so Steinmetz, werde die Datenbank um weiterführende Hintergrundinformationen und Dokumentationen zu Aspekten deutscher Rüstungsexportpolitik, z.B. rechtliche Grundlagen, Exportstatistiken sowie Positionen verschiedener gesellschaftlicher Akteure. Anregungen und Feedback seien herzlich willkommen. Aus unserer Sicht des Kleinwaffen-Newsletters gilt es aber vor allem, den Beteiligten zu danken für die viele Arbeit, die hinter einem solchen Projekt steht, und für die Informationen, die daraus zu entnehmen sind. Wir wünschen weiter gutes Gelingen!

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