Nach der Bundestagswahl sind viele Fragen offen. – Klar ist jedoch, dass das Thema Rüstungsexport in den nächsten Jahren keine zentrale Rolle im politischen Tagesgeschäft spielen wird. Dies unterstreicht die Bedeutung der Zivilgesellschaft, deren Aufgabe es sein wird, das Thema Rüstungsexport zu problematisieren.
Die Entwicklung bei Heckler & Koch verspricht auch in den kommenden Monaten genügend Themen zur Verfügung zu stellen, um diese Arbeit leisten zu können. – Mehr dazu im neuen Newsletter!
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DAKS-Newsletter September 2017
Die Bundestagswahl und ihre Folgen
Deutschland hat gewählt, die Stimmen sind ausgezählt, das Volk hat gesprochen – aber was hat es gesagt? Diese Frage ist weder trivial, noch leicht zu beantworten, denn deutlich geworden ist in dieser Wahl nur die wachsende Polarisierung und Radikalisierung der Wahlberechtigten. Wieder einmal hat sich die Anzahl der Bundestagsabgeordneten erhöht und sie verteilen sich auf mehr Fraktionen als bisher. Sowohl die Regierungsbildung als auch die Arbeit der Regierung verspricht unter diesen Vorzeichen kompliziert zu werden. In dieser Hinsicht ist die CDU, die als stärkste Fraktion mit der Regierungsbildung betraut ist, nicht zu beneiden.
Unter der Voraussetzung, dass die Ankündigung der SPD, keine neue ‚große‘ Koalition gründen zu wollen, Bestand hat und dass die versprochene Isolation der AfD tatsächlich durchgesetzt wird, bleiben der CDU/CSU drei mögliche Optionen:
- Die Aufnahme von Verhandlungen zur Gründung einer ‚Jamaica‘-Koalition unter Beteiligung von FDP und Grünen. Diese Lösung könnte zur Schaffung einer mehrheitsfähigen Regierung führen, steht aber vor der Schwierigkeit, den Fraktionspartner CSU, der bemüht ist die ‚rechte Flanke‘ zu schließen, mit den Grünen und der FDP ins Gespräch zu bringen. Ob dieser Spagat gelingen wird – und wenn, wie lange – ist noch nicht absehbar.
- Die Gründung einer Minderheiten-Regierung unter eventueller Beteiligung der Grünen oder der FDP. Diese Lösung ist mit so vielen Schwierigkeiten behaftet, wie eine Minderheiten-Regierung unter den gegenwärtigen Umständen nur sein kann.
- Schließlich bleibt die Möglichkeit, die Regierungsbildung abzulehnen. Wodurch die SPD in eine vergleichbare Schwierigkeit geriete. Am Ende dieser Entwicklung stünden dann wohl Neuwahlen.
Damit ist auch klar, dass diese Wahl aus rüstungsexportpolitischer Perspektive eine Katastrophe darstellt. Es ist kaum anzunehmen, dass eine Regierungskoalition unter Beteiligung von CDU/CSU und FDP unter den derzeitigen Bedingungen eine restriktivere Genehmigungspraxis für Rüstungsexporte durchsetzen wird. In gleicher Weise ist abzusehen, dass das Thema (innere und äußere) ‚Sicherheit‘ in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle in der politischen Debatte spielen wird, wobei sich die Parteien darin überbieten werden, möglichst umfangreiche ‚Sicherheitspakete‘ auf den Weg zu bringen. Von dieser Entwicklung dürften insbesondere die Hersteller von Kleinen und Leichten Waffen profitieren. So ist anzunehmen, dass in den kommenden Monaten eine Entscheidung über die Nachfolgebewaffnung des G36-Gewehrs getroffen wird. In gleicher Weise wird Bayern neue Polizeiwaffen beschaffen und die europäische rüstungspolitische Kooperation zur Flüchtlingsabwehr wird neue Impulse bekommen. Dies zeigt: Auch unter rüstungsexportpolitischen Vorzeichen ist das Ergebnis dieser Wahl schwierig.
Heckler & Koch: Ein Waffenhersteller entdeckt sein Gewissen?
Heckler & Koch stellt Kleinwaffen her. Das war früher so und das ist heute so. Heckler & Koch verkauft diese Waffen, um damit Geld zu verdienen. Hauptkunden sind die Bundeswehr und die Behörden befreundeter Staaten in EU und NATO. – Und dann gibt es da noch ein paar andere Geschäfte, die Heckler & Koch auch tätigt, wodurch es das Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder geschafft hat, in die Schlagzeilen zu geraten. Dies galt etwa, als es öffentlich wurde, dass HK eine Waffenfabrik in Saudi-Arabien aufbaut, um dort das G36-Gewehr für den saudischen Inlandsbedarf produzieren zu lassen. Doch mit solchen Geschäften, so verlautet aus dem Umfeld des Unternehmens, soll jetzt endgültig Schluss sein, denn künftig sollen nur noch solche Länder beliefert werden, die tatsächlich EU und/oder NATO angehören bzw. bei denen keine Bedenken hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Stabilität vorliegen. Nachdem diese Nachricht bereits im Frühjahr in die Öffentlichkeit gelangte, wurde sie anlässlich der ersten öffentlichen Hauptversammlung der Heckler & Koch AG nochmals wiederholt und durch die Konzernleitung bestätigt. Seitdem berichtete die Deutsche Welle International über diese Trendwende, aber auch die Washington Post und der Guardian. – Was ist von dieser Erklärung und dem Medienecho zu halten?
Zunächst gilt es festzuhalten: Heckler & Koch stellt nach wie vor Waffen her und wer in das Unternehmen investiert, betreibt auch unter der neuen Geschäftspolitik kein ethisches Investment.
Und was ist von dem öffentlichen Gesinnungswandel zu halten? – An dieser Stelle soll die These vertreten werden, dass sich bei Heckler & Koch wenig verändert hat und wenig verändern wird. Vielmehr scheint es, als lägen die Gründe für das öffentliche Bekenntnis zu sicherheitspolitischen Selbstverständlichkeiten auf der Hand.
Zunächst gilt es zu beachten, dass es Heckler & Koch in den vergangenen Monaten gelungen ist, mehrere behördliche Großaufträge zu gewinnen. Frankreich hat die Beschaffung von HK-Waffen ebenso beschlossen wie die US-Beschaffungsbehörden, die ihre Spezialeinheiten mit entsprechenden Waffen ausstatten wollen. Die Produktion in Oberndorf ist so vielleicht nicht ausgelastet, aber doch gesichert. Und das schon jetzt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Unternehmen noch immer gute Chancen ausrechnen kann, bei der Bundeswehr-Ausschreibung für die Nachfolgebewaffnung des G36-Gewehrs zum Zug zu kommen. In anderen Worten: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint Heckler & Koch nicht auf Aufträge aus unsicheren Drittstaaten angewiesen zu sein. Eher im Gegenteil, denn wenn solche Aufträge publik werden und für schlechte Presse sorgen, so ist dies dem potentiellen Inlandsgeschäft nicht unbedingt zuträglich. So ist es geschäftspolitisch naheliegend, eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung zu veröffentlichen, die eine Selbstbeschränkung der eigenen Geschäftstätigkeit dokumentiert. Im Bedarfsfall, also etwa im Falle eines neuerlichen Auftragsrückgangs, kann sie jederzeit widerrufen werden, und bis dahin sorgt sie für eine gute Presse.
Dann ist jedoch noch ein zweiter Aspekt zu berücksichtigen: Bereits im Mai 2017 wurde bekannt, dass HK in den USA eine Produktionsstätte für Waffen errichtet. Anders als die bisherigen Niederlassungen dient diese nicht nur der Waffenvermarktung und Waffenreparatur, sondern der Herstellung von Waffen. Diese in den USA gefertigten Waffen sind primär für den US-Markt bestimmt. So wie die in Oberndorf hergestellten Waffen primär für den deutschen Inlandsmarkt bestimmt sind. Darüber hinaus unterliegen die in den USA hergestellten Waffen jedoch nicht mehr der deutschen Rüstungsexportkontrolle und wohin sie eventuell exportiert werden, ist allein Sache der US-Behörden. Dies in Rechnung gestellt scheint es, als könne HK auch an einer grundsätzlichen Verlagerung der Produktion interessiert sein. Dann könnten künftig alle einfachen Aufträge aus Oberndorf bearbeitet werden, während die komplizierteren Geschäfte vom Standort in den USA abgearbeitet werden, ohne dass dies öffentlich bekannt oder in Deutschland diskutiert würde. Dies alles in Rechnung gestellt, scheint es angeraten, den Beteuerungen von Heckler & Koch zunächst nicht zu viel Beachtung zu schenken. Ob das Unternehmen wirklich seine Geschäftspolitik verändert bleibt eine Frage, die nicht auf der Basis von Absichtserklärungen, sondern durch Taten entschieden wird.
Bundeswehr: Gibt es eine Vorauswahl für den G36-Nachfolger?
In einer Presseerklärung hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr mitgeteilt, Angebotsaufforderungen für die Nachfolgebewaffnung des G36-Gewehrs an mehrere Kleinwaffenhersteller verschickt zu haben. Welche Unternehmen dies sind, teilte das BAAINBw nicht mit. Nach Informationen von Jane’s Defence soll es sich jedoch um die fünf Firmen Rheinmetall/Steyr, Heckler & Koch, Haenel Defence, SIG Sauer und FN Herstal handeln. Die damit genannten Namen überraschen nicht und doch ist die Auswahl bezeichnend. Mit Ausnahme von FN Herstal haben die öffentlich gewordenen Firmennamen gemeinsam, dass sie alle über Produktionsstandorte in Deutschland verfügen. Mit Ausnahme von Haenel Defence sind alle Firmen bekannte Hersteller von Kleinwaffen, die auf eine jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Kleinwaffen zurückblicken können. Mit Ausnahme von SIG Sauer sind alle Unternehmen etablierte Lieferanten der Bundeswehr.
Unabhängig davon, ob die genannten Namen zutreffen, haben die beteiligten Unternehmen nun einige Wochen Zeit, ein Angebot auszuarbeiten, bevor die Bundeswehr dann mit Vergleichstest beginnen wird, an deren Ende die Entscheidung zur Anschaffung eines neuen Schnellfeuergewehrs stehen wird.
SIPRI: Jahrbuch 2017 ist erschienen!
Das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) hat sein seit 1969 erscheinendes Jahrbuch für das Jahr 2017 veröffentlicht. Ausgehend von einer Beschreibung der Hauptkrisengebiete der Welt (1. Kapitel) würdigen die SIPRI-Forscher Entwicklungen und Initiativen, denen sie ein friedens- und entwicklungsförderndes Potential zuschreiben (2. Kapitel), als auch die harten Fakten in Gestalt der weltweiten Militärausgaben bzw. der vorhandenen Daten zum weltweiten Waffenhandel (3.Kapitel). Das Jahrbuch schließt mit einem Blick auf die Bemühungen zur Kontrolle und Begrenzung des internationalen Waffenhandels (4. Kapitel). In den Blick genommen werden dabei sowohl ABC-Waffen als auch konventionelle Waffen und sogenannte Dual-Use Güter.
Wie schon in den vergangenen Jahren waren es auch im aktuellen Berichtszeitraum, der das Jahr 2016 abdeckt, vor allem innerstaatliche Konflikte, die Not und Leid hervorgerufen haben. Diese sind jedoch häufig nicht als Bürgerkriege im strengen Sinn zu verstehen, da sie häufig unter Beteiligung externer (staatlicher und nichtstaatlicher) Kräfte geführt werden. Dies trägt zur Komplexität der gegenwärtigen Konflikte bei und nährt die Sorge, dass die überkommene internationale Staatenordnung an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit geführt worden ist. Ein Hauptaugenmerk richtet SIPRI naturgemäß auf die Situation im Nahen und Mittleren Osten. Dessen ungeachtet bereitet jedoch auch die Situation in Europa Sorge, da SIPRI hier eine Tendenz wahrnimmt, militärische Interventionen unter dem Deckmantel multinationaler Friedensoperationen zu führen. SIPRI benennt hier eine graue Zone, in der die Grenzen von Legalität und Legitimität neu verhandelt werden.
Die weltweiten Militärausgaben, durch die der internationale Waffenhandel maßgeblich finanziert wird, beliefen sich im vergangenen Jahr auf geschätzte 1686 Milliarden US-Dollar und waren damit gegenüber dem Jahr 2015 ungefähr konstant. Allerdings gab es Verschiebungen zwischen den Weltregionen, denn während in Süd- und Zentralamerika sowie im Afrika südlich der Sahara die Ausgaben sanken, stiegen sie in Asien und Europa. Von dieser Entwicklung profitiert auch die Rüstungsindustrie in Deutschland, was sich durch den immer noch hohen Marktanteil von 5,6 % deutscher Rüstungsexporte am weltweiten Waffenmarkt ausdrückt.
Bemerkenswert ist, dass SIPRI trotz der Atomwaffenkrise in Nord-Korea und trotz der wachsenden Spannungen zwischen USA/NATO und Russland die weltweiten Bemühungen zur nuklearen Kontrolle und Abrüstung sehr positiv beschreibt. Verantwortlich hierfür ist allerdings vor allem die UN-Initiative, einen weltweit verbindlichen Vertrag zur nuklearen Abrüstung zu erarbeiten. – Ein Vertragswerk, das trotz der Ablehnung durch die Nuklearmächte und NATO-Staaten wie Deutschland zu Stande gekommen ist, nun aber auch ohne die entsprechende Unterstützung auskommen muss.
Der Gesamteindruck, den das SIPRI-Jahrbuch vermittelt, ist deshalb alles andere als beruhigend. Es ist deshalb wegweisend, wenn in der Einleitung des Jahrbuchs auf die Diskussion über die Einführung eines neuen Erdzeitalters, des Anthropozäns, hingewiesen wird.
EU-Parlament fordert eine strengere Kontrolle von Rüstungsexporten
In einer Plenardebatte im Europäischen Parlament wurde eine strengere Auslegung des Gemeinsamen Standspunktes 2008/944/GASP des Rates über die Ausfuhr von Militärgütern gefordert. Die Grünen-Abgeordnete Bodil Valero erklärte: „Die Kriterien sind zwar bereits relativ streng, das Problem ist jedoch, dass sie von den Ländern nicht eingehalten werden.“ Zu bedenken sei außerdem, dass die 28 EU-Staaten zusammengenommen der weltweit zweitgrößte Exporteur von Rüstungsgütern sind. Einzeln betrachtet finden sich die fünf EU-Mitgliedsstaaten Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien in der Liste der zehn Hauptexporteure von Rüstungsgütern. – Und das alles trotz der geltenden Regeln zum Waffenexport. In einer am 13. September 2017 durch das EU-Parlament angenommenen Entschließung fordert das Parlament die Mitgliedsstaaten deshalb auf, eine Behörde zur Kontrolle der Waffenausfuhren einzurichten, ein EU-Waffenembargo gegen Saudi-Arabien und Katar zu verhängen und generell den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten zum Waffenhandel zu intensivieren. All diese Forderungen sind sehr zu begrüßen, es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Mitgliedsstaaten sie sich zu eigen machen werden. Das EU-Parlament hat die Verhängung eines Waffenembargos gegen Saudi-Arabien bereits im Jahr 2016 verlangt. Passiert ist seitdem jedoch nichts.
Ukraine: Explosion in Munitionsdepot
Nach Informationen des Spiegel ist es in der Ukraine erneut zu einer Explosion in einem Munitionsdepot gekommen (vgl. DAKS-Newsletter 04/2017). Über die Ursache für die Explosion ist derzeit noch nichts bekannt. Unabhängig davon, ob es sich um einen Unfall oder einen Sabotageakt gehandelt hat, wirft dies jedoch ein Schlaglicht auf die Sicherheitslage in den ukrainischen Munitionslagern. Der Small Arms Survey dokumentiert in einer Datenbank über Unplanned Explosions at Munitions Sites nicht weniger als 14 entsprechende Zwischenfälle in der Ukraine im Zeitraum von 2003 bis 2015. Dies in Rechnung gestellt ist es eigentlich gleichgültig, wie es zu dem Zwischenfall kam, denn es zeigt, dass die Ukraine ein Sicherheitsproblem in ihren militärischen Einrichtungen hat, das sie zu keinem sicheren Ort macht.