DAKS-Newsletter Juni 2018 ist erschienen!

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2017 ist erschienen. Die Zahlen die darin publik gemacht werden sind erwartbar – und doch überrascht es mit welcher Dreistigkeit die Bundesregierung gegen allen zivilgesellschaftlichen Protest an ihrer Exportpolitik festhält. Mehr dazu im neuen Newsletter.

Außerdem im Newsletter: Ein Gastbeitrag von Beat Wehrle (terres des hommes) der Schweizer Munitionsexporte nach Brasilien hinterfragt. Und schließlich steht die Frage im Raum, weshalb Heckler & Koch eigentlich seine Aktionärs-Hauptversammlung absagt, bzw. verschiebt. Mehr dazu im neuen DAKS-Newsletter!

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DAKS-Newsletter Juni 2018

Rüstungsexportbericht: Schlichtweg katastrophal!

Politisch fragwürdige Empfängerländer und dritthöchste Genehmigungswerte. Kommentare zum Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2017

– Eine Presseerklärung von pax christi

„2015, 2016 und 2017 werden als die Jahre neuerlicher Negativrekorde bei Rüstungsexporten in die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen“, betont Jürgen Grässlin, Kampagnensprecher und Bundessprecher der DFG-VK. „Nie zuvor genehmigte eine Bundesregierung so viele Einzelausfuhren in alle Welt, als in diesen drei Jahren. Unter den Empfängerländern befanden sich auch 2017 zahlreiche menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten – allen voran Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und die Türkei! Die Gesamtbilanz der vergangenen großen Koalition von CDU/CSU und SPD unter Führung von Bundeskanzlerin Merkel und den Bundeswirtschaftsministern Gabriel und Zypries ist quantitativ – in Ihrem Volumen – und qualitativ – gemessen an den Empfängerländern in Krisen- und Kriegsgebieten – schlichtweg katastrophal. Auch 2017 hat die Bundesregierung mit ihren Waffenexporten-Genehmigungen zur Verstümmelung und zum Tod zahlloser Menschen durch den Einsatz deutscher Kriegswaffen in den Empfängerländern beigetragen.“

„Es bedarf endlich eines wirksamen Rüstungsexportkontrollgesetzes, um solch hohe und politisch fragwürdige Rüstungsexporte zu stoppen“, kommentiert Christine Hoffmann, die Kampagnensprecherin und pax christi-Generalsekretärin, und erläutert: „Der neue Bericht der Bundesregierung trägt zur Transparenz über die Widersprüche zwischen den Politischen Grundsätzen der Bundesregierungen zum Rüstungsexport und der tatsächlichen Genehmigungspraxis bei. Die dritthöchsten Genehmigungswerte für das Jahr 2017 (6,24 Mrd. Euro) nach den negativen Rekordjahren 2015 (7,86 Mrd Euro) und 2016 (6,85 Mrd. Euro) verdienen die Bezeichnung restriktive Rüstungsexportpolitik nicht.

Die Hinweise der Bundesregierung auf die Bedeutung der Empfängerländer gegenüber der Höhe und Anzahl der Genehmigungen machen weitere Widersprüche deutlich: Die Großlieferung eines Schiffs an Algerien widerspricht dem Grundsatz, die Menschenrechtslage im Empfängerland und das Bestehen interner Gewaltkonflikte im Land sowie die regionale Sicherheitslage bei der Genehmigung zu beachten. Denn in Algerien bestehen interne Gewaltkonflikte, die Menschenrechtssituation gilt als sehr schlecht, die regionale Sicherheitslage ist sehr kritisch. Genauso desaströs ist Lieferung eines U-Bootes an Ägypten und zwar aufgrund derselben genannten schlechten Menschenrechtslage, internen Gewaltkonflikten und sehr kritischen regionalen Sicherheitslage. Auch ist wieder der monetäre Genehmigungswert bei den Exporten an Drittstaaten mit 3,79 Mrd. Euro höher als innerhalb von EU und Nato mit 2,45 Mrd. Euro, und das, obwohl die Grundsätze festlegen, dass gerade der Export an ‚Drittländer‘ bzw. ‚sonstige Länder‘ restriktiv gehandhabt werden muss.“

Rüstungsexportbericht: Das Problem mit den Kleinwaffen

Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für das Jahr 2017 enthält eine katastrophale Bilanz im Hinblick auf das genehmigte Exportvolumen und im Hinblick auf die Empfängerländer. Es ist erschreckend zu sehen, welche Exporte auch heute noch genehmigt werden – nachdem die Praxis der deutschen Rüstungsexportkontrolle seit so vielen Jahren in der Kritik steht und eine breite gesellschaftliche Mehrheit sich konsequent gegen Rüstungsexporte ausspricht.

Besonders dramatisch ist die Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Willen und politischer Praxis im Feld der Genehmigung von Kleinwaffen-Exporten. Es überrascht, dass sich diese seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau bewegen – was eigentlich nicht sein kann, da die Genehmigungswerte von Rüstungsexporten nach Angaben der Bundesregierung grundsätzlich Einzelfälle sind, weshalb die entsprechenden Werte starken Schwankungen unterliegen. Und es überrascht zu sehen, wie die Bundesregierung bemüht ist, die entsprechenden Zahlen klein zu rechnen statt einfach die Genehmigungspraxis zu verändern und dadurch die Zahlen als solche zu senken. In den vergangenen Jahren genehmigte die Bundesregierung den Export von Kleinwaffen (AL-Position 0001) im Wert von jeweils rund 200 Millionen Euro. Hierbei handelt es sich um Schusswaffen, wie sie von Militär und Polizei, Sportschützen und Jägern eingesetzt werden. Wie Amokläufe beweisen, wirken all diese Waffen tödlich, ob sie nun tatsächlich von Soldaten eingesetzt werden oder nicht. Trotzdem bemüht sich die Bundesregierung, die publizierten Zahlen zu differenzieren, und unterscheidet weitere Kategorien von Kleinwaffen. Technisch gibt es zwischen diesen verschiedenen Waffen kaum einen Unterschied, unterschieden wird allein zwischen verschiedenen Gruppen von Antragstellern bzw. Empfängern.

JahrExportgenehmigungen für Handfeuerwaffen (AL-Position 0001) in Millionen EuroExportgenehmigungen für Kleinwaffen in Millionen EuroExportanteil Drittländer in Millionen EuroExportanteil Entwicklungsländer in Millionen Euro
201023749,5416,34,16
201122237,917,925,4
201223476,1537,0926
201328582,6342,230,81
201418974,4321,631,85
201514932,4314,491,1
201625546,8916,383,7
201721547,8215,19,7

„Kleinwaffen“ stellen aus Sicht der Bundesregierung solchen Waffen dar, die militärisch genutzt werden. Dass daneben aber auch Scharfschützengewehre, halbautomatische Pistolen und Schrotflinten sehr wohl in bewaffneten Konflikten eingesetzt werden, bleibt unbeachtet und fließt nicht in den Rüstungsexportbericht ein. Eine weitere Unterscheidung wird dann zwischen NATO- und EU-Staaten und solchen, Staaten, die nicht der westlichen Welt angehören, gezogen. Eine solche Unterscheidung wäre hilfreich, wenn im Folgenden dann die Exporte an alle Ländergruppen detailliert aufgeschlüsselt würden. Faktisch berichtet die Bundesregierung aber nur über die genehmigten Exporte an Drittländer. Die Genehmigungswerte für Entwicklungsländer wiederum sind innerhalb dieser Ländergruppe versteckt und müssen mehr oder weniger aktiv gesucht bzw. rekonstruiert werden. Beim Blick auf diese Zahlen wird dann auch das Problem deutlich: Die Bundesregierung achtet bei der Genehmigung von Rüstungsexporten keineswegs darauf, ob diese im Einklang mit den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung stehen, stattdessen genehmigt sie selbst den Export von Kleinwaffen in Entwicklungsländer. Als Hauptkunden treten dabei Indien und Indonesien auf. Im Jahr 2017 erhielt Indien u. a. die Genehmigung zum Erwerb von 3433 Maschinenpistolen. Dies stellt einen Folgeauftrag dar, denn in einer ersten Tranche durfte das Land im Jahr 2012 bereits 12.957 solche Waffen importieren. Indonesien hingegen durfte 2012 und 2017 insgesamt 1109 Maschinenpistolen erwerben. Und diese Kleinwaffen-Exporte stehen eben nicht isoliert, sondern stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Tatsächlich durfte Indien im Jahr 2017 Handfeuerwaffen (AL-Position 0001) im Wert von rund 7,6 Millionen Euro importieren und stand auf der Liste der wichtigsten Empfängerländer deutscher Rüstungsexporte auf Rang 13. Indonesien hingegen, das Rang 16 der wichtigsten Empfängerländer einnimmt, durfte neben den Maschinenpistolen auch Schnellfeuergewehre und vor allem 21 Leopard-2-Panzer einführen. Alles zusammen ein kostspieliger Ankauf, durch den das Ziel der nachhaltigen Entwicklung sicherlich nicht erreicht wird. Die Bundesregierung, die für sich in Anspruch nimmt, eine strenge Rüstungsexportkontrolle zu praktizieren, sollte durch diese Zahlen angespornt werden, endlich ein Rüstungsexportkontollgesetz zu verabschieden, das diesen Namen verdient.

Schweizer Munition für die Gewalt in Brasilien

Am Abend des vergangenen 14. März wurde die brasilianische Menschenrechtsaktivistin und Stadträtin von Rio de Janeiro, Marielle Franco in ihrem Auto auf offener Straße ermordet. Auch ihr Fahrer Anderson Gomes wurde Opfer des akribisch vorbereiteten Verbrechens.

Marielle lebte ihr Leben lang in der Favela da Maré, einem der größten Elendsviertel von Rio de Janeiro. Die 38-jährige Soziologin verstand sich als Sprachrohr der Kinder und Jugendlichen der Favelas, welche privilegierte Opfer der willkürlich agierenden Militärpolizei, ihrer Todesschwadronen und der Drogenhändler sind. Sie engagierte sich für die Rechte der Frauen und setzte sich für die mehrheitlich schwarze Bevölkerung der Favelas ein. Seit dem Sturz der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff (August 2016), denunzierte sie wiederholt den wachsenden Autoritarismus in Brasilien und kritisierte die militärische Intervention in Rio de Janeiro, die durch den amtierenden Putsch-Präsidenten Michel Temer im Februar in Rio gestartet wurde.

Am 28. Februar wurde Marielle zur Vorsitzenden der Menschenrechtskommission nominiert, welche die Intervention des Militärs überwachen soll. Am 10. März denunzierte sie die perverse Gewalt der Militärpolizei in der Favela Acari und am 14. März wurde sie durch ein Killerkomando ausgelöscht.

Der Tod von Marielle ist aber nur die Spitze des riesigen Eisberges der Gewalt in Brasilien. Gemäß einer im vergangenen Dezember durch die Organisation Small Arms Survey mit Sitz in Genf veröffentlichten Studie sind im Jahr 2016 weltweit 560.000 Menschen durch Gewaltverbrechen getötet worden. 99.000 (18%) in den verschiedenen Kriegsherden der Welt. Die Mehrheit der Opfer verlor ihr Leben jedoch außerhalb der Kriegszonen (82%), über 70.000 Menschen (12%) alleine in Brasilien. Der Anteil Brasiliens an der Weltbevölkerung beträgt aber weniger als 3%. Mit über 190 Morden pro Tag steht Brasilien in absoluten Zahlen weltweit an erster Stelle und übertrifft jede der aktuellen Kriegsregionen der Welt, selbst Syrien.

Gemäss einer Analyse der Vereinten Nationen (UNODC – United Nations Office on Drugs and Crimes) ist nicht nur die absolute Zahl brasilianischer Opfer von Gewaltverbrechen erschreckend. Noch erschütternder ist die Tatsache, dass 45% der Opfer Kinder und Jugendliche sind und 66% afrobrasilianische Herkunft haben.

Das Bild des Schreckens wird durch eine Anfang März publizierte Studie der mexikanischen Organisation Seguridad, Justicia y Paz vervollständigt. Jährlich produziert sie ein Ranking der Gewalt in Städten mit über 300.000 Einwohnern außerhalb der weltweiten Kriegszonen. Innerhalb der weltweit 50 gewalttätigsten Städte liegen 43 in Lateinamerika und 17 alleine in Brasilien. Bezeichnend ist, dass Rio de Janeiro nicht zu diesen 17 Städten gehört. Dies zeigt klar, dass die Gewalt kein auf Rio fokussiertes Problem ist, sondern längst zu einer nationalen Herausforderung geworden ist.

Trotz dieser gewaltigen Wirklichkeit Brasiliens kommunizierte im vergangenen Dezember der Schweizer Rüstungskonzern RUAG sein Vorhaben, 2018 eine Munitionsfabrik im brasilianischen Bundesstaat Pernambuco aufbauen zu wollen. Im Nordosten Brasiliens also, wo sich der Großteil der 17 gewaltigsten Städte Brasiliens konzentriert. Im Versuch, diese absurde Millioneninvestition zu rechtfertigen, gibt RUAG sehr schnell an, die produzierte Munition werde selbstverständlich nur an den offiziellen Sicherheitsapparat Brasiliens verkauft.

Die Munition, welche Marielle ermordete, wurde 2006 an die brasilianische Bundespolizei (Polícia Federal) verkauft und wurde ebenfalls beim größten Massaker in São Paulo im vergangenen Jahr gefunden. Wer Brasilien auch nur ein klein wenig kennt, weiß ganz genau, wie stark der offizielle (Un)Sicherheitsapparat mit dem organisierten Verbrechen verfilzt ist.

Wer sich also trotz dieser überwältigenden Daten und Fakten für eine Munitionsfabrik in Brasilien entscheidet, stützt sich entweder auf eine oberflächliche, die Realität ignorierende Analyse, oder orientiert sich ausschließlich am Kriterium des potenziellen Profites. Beide Szenarien sind ethisch unhaltbar und sind für einen gänzlich bundeseigenen Konzern nie und nimmer zu rechtfertigen.

Die Möglichkeit einer Schweizer Munitionsfabrik in Brasilien entstand nur, weil RUAG mit dem brasilianischen Putsch-Präsidenten Michel Temer die Aufhebung des Jahrzehnte alten Staatsmonopols verhandelte. Michel Temer ist derselbe, der die großen Erfolge der Armutsreduktion vergangener Jahr durch Kürzung und Auflösung strategischer Sozialpolitik wieder rückgängig macht.

Kurz vor ihrem Tod hat Marielle Franco in einem Artikel gefragt, wieviele Menschen noch sterben müssen, bis dieser Krieg endlich ein Ende findet. Angesichts der aktuellen Lage Brasiliens werden es noch viele sein. Und in Zukuft durch Munition aus der Schweiz.

Beat Wehrle (53) ist Sozialarbeiter und Theologe. Zwischen 1985 und 2016 arbeitete er in sozialen Projekten in São Paulo, Brasilien. Seit Oktober 2016 lebt er mit seiner Familie in Bogotá (Kolumbien) und koordiniert die Projektarbeit von terre des hommes Deutschland in Lateinamerika. Kontakt: b.wehrle@tdh-latinoamerica.de

Heckler & Koch sorgt für Irritationen

Nach Informationen der Welt hatte Heckler & Koch im vergangenen Jahr mit firmeninternen Fertigungs- und Lieferproblemen zu kämpfen. Absatzprobleme auf dem US-Markt hätten die Probleme noch intensiviert, sodass es trotz an sich hervorragender Geschäfte etwa mit dem französischen, aber auch mit dem US-Militär zu einem Umsatz- und Gewinnrückgang gekommen sei. Mit 187 Millionen Euro im Jahr 2017 ist der Konzernumsatz zwar immer noch ansehnlich, liegt aber um rund 10% niedriger als noch im vergangenen Geschäftsjahr. Noch dramatischer ist allerdings der Gewinnrückgang um 20,6 Millionen Euro, denn dies führt dazu, dass Heckler & Koch zum ersten Mal seit 2014 wieder ein Geschäftsjahr mit einem negativen Ergebnis abschließt. Der Verlust habe sich demnach auf 13,4 Millionen Euro belaufen. – Nach einem Gewinn von 7,2 Millionen Euro im Jahr 2016.

Gleichzeitig hat in Stuttgart der Prozess um die angeblich illegale Lieferung von Schnellfeuergewehren nach Mexiko begonnen. Im Verlauf der ersten Prozesstage scheint sich der Verdacht zu erhärten, dass Heckler & Koch beim Export der Waffen bewusst getrickst habe – so meint zumindest die Stuttgarter Zeitung. Hinzu kommt, dass im Prozessverlauf ein Zeuge des Auswärtigen Amtes betont hat, das Außenministerium habe wiederholt Bedenken gegenüber den Exporten von Heckler & Koch nach Mexiko geäußert. – So erneut die Stuttgarter Zeitung.

Als wäre dies alles nicht genug, hat das Unternehmen nun bekannt gegeben, dass es seine für den 26.6.2018 geplante Hauptversammlung verschieben muss. Die Absage erfolgte kurzfristig, nämlich vier Tage vor dem geplanten Termin. Und so überraschend wie die Absage ist der angegebene Grund: Es hätten sich zu viele Aktionäre für die Veranstaltung angemeldet, weshalb der geplante Veranstaltungsraum im Rathaus von Oberndorf zu klein sei. Wann die Hauptversammlung nachgeholt werden wird, ist noch nicht geklärt. – Hoffentlich bald, denn es ist zu hoffen, dass im Rahmen der damit verbundenen öffentlichen Aussprache manche Irritationen geklärt werden können.

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