Der Sommer ist so heiß, dass selbst die Computer in die Knie gehen. Inzwischen sind die technischen Probleme beim DAKS jedoch behoben und der Juli-Newsletter ist – mit bedauerlicher Verspätung – fertig geworden.
Darin geht es um: die Probleme der Berliner Polizei mit ihrer neuen Dienstpistole von Heckler & Koch, dem Streit von Heckler & Koch mit Orbital ATK, Waffen aus dem 3D-Drucker und ein Blick in die akademische Debatte über Rüstungsexporte.
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DAKS-Newsletter Juli 2018
Berliner Polizei kritisiert neue Dienstwaffe
Wie das Handelsblatt berichtet, kritisiert die Berliner Polizei ihre kürzlich bestellte und nun vor der Auslieferung stehende neue Dienstpistole, die SFP 9 von Heckler & Koch. Ähnlich wie bei der Kritik der Bundeswehr an ihrem Schnellfeuergewehr G36 ist es erneut die Treffpunktlage, die bemängelt wird. Hinzu kommt allerdings eine Klage über „herausfallende Magazine“, wodurch die Waffe in der Tat im Alltagsbetrieb nicht verwendet werden könnte. Für Heckler & Koch kommt auch diese Kritik zur Unzeit. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die Berliner Polizeibehörden nicht die einzigen Kunden für dieses Waffenmodell sind. Neben Berlin haben auch Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Niedersachsen, Brandenburg und Bayern Vereinbarungen mit Heckler & Koch zur Belieferung mit der SFP 9 geschlossen. Wie diese Länder auf die von Berlin geäußerte Kritik reagieren und welche Konsequenzen die Kritik hat, bleibt abzuwarten.
Heckler & Koch vs. Orbital ATK: Streit beigelegt
In einer Ad-hoc Mitteilung hat Heckler & Koch bekannt gegeben, dass es mit Orbital ATK zu einer außergerichtlichen Einigung gekommen sei und die Schadenersatzklage von Orbital ATK zurückgezogen wurde. Heckler & Koch sieht damit die Grundlage geschaffen, dass sich die Geschäftsbeziehungen normalisieren und beide Unternehmen künftig wieder kooperieren werden. Bevor dies geschieht, wird Heckler & Koch aber wahrscheinlich zunächst die vereinbarte Zahlung in Höhe von 7,5 Millionen Dollar leisten müssen. Die immer noch angespannte Finanzlage des Unternehmens wird durch diese Vereinbarung nicht erleichtert, aber durch diese Vereinbarung ist der Finanzierungsaufwand planbarer geworden: Orbital ATK hatte ursprünglich einen Schadenersatz in Höhe von rund 27 Millionen Dollar gefordert, diese Forderung konnte in den Verhandlungen reduziert werden. Außerdem soll die Zahlung in insgesamt drei Tranchen erfolgen, die bis zum 30. Juni 2019 geleistet werden sollen. So hat Heckler & Koch also noch etwas Zeit, um neue Geldquellen zu erschließen.
Waffen aus dem Drucker?
Cody Wilson, der selbsternannte Initiator und Gründer von Defense Distributed, genießt in der Internet-Szene einen fast legendären Ruf. Er war einer der ersten, die die Möglichkeiten des 3D-Drucks enthusiastisch aufgriff, um damit Waffen herzustellen. In der Art und Weise wie er dies tut, gelingt es ihm, verschiedene an sich gegensätzliche politische Positionen miteinander ins Gespräch zu bringen. Einerseits erklärt er, sich für das Recht auf freien und unbehinderten Waffenbesitz einzusetzen, wie es in der Lesart der National Rifle Association (NRA) der 2. Zusatz der US-Verfassung festschreibt. Andererseits erklärt er, er entwickle Waffen zum Ausdrucken nur deshalb, weil er eigentlich Anarchist sei und durch das Online-Stellen von Waffenbauplänen den militärisch-industriellen Komplex schädigen und die US-Kleinwaffenindustrie in den Ruin treiben wolle. Und schließlich gelingt es ihm, durch seine Verwendung des 3D-Drucks die politisch eher unauffällige, aber technikaffine Makerszene für sein Projekt zu begeistern. In den vergangenen Jahren gab es nur eine Instanz, die seinem Engagement entgegenwirkte: Nachdem Wilson im Jahr 2013 seinen ersten Waffenentwurf veröffentlichte, intervenierte das US Department of State mit einer einstweiligen Verfügung, um die Verbreitung der Waffe zu unterbinden. In den vergangenen fünf Jahren entwickelte Wilson deshalb nicht nur weitere Waffen, sondern führte außerdem Verhandlungen, um seine Pläne zu legalisieren. Laut Ankündigung auf seiner Website ist ihm dieser Schritt nun gelungen, weshalb er zum 1. August 2018 die vorhandenen Waffenbaupläne online stellen werde. Welche konkrete Gefahr von diesen Waffen ausgeht, wird sich erst abschätzen lassen, wenn die Pläne tatsächlich einsehbar sind und nachvollzogen werden kann, welches Wirkungspotential die von Wilson entwickelten Waffen tatsächlich haben. Die Waffe, die Wilson im Jahr 2013 vorgestellt hat, scheint zwar grundsätzlich funktionsfähig gewesen zu sein, gleichzeitig war aber klar, dass ihr Einsatzbereich auf wenige Meter begrenzt ist, sie nach jedem Schuss nachgeladen werden muss und dass sie nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Schützen selbst eine Gefahr darstellt. – Durch den Explosionsdruck der Treibladung kann die ganze Waffe beschädigt werden und in den Händen des Schützen in ihre Einzelteile zerfetzen.
Letztlich könnte die Frage nach der Qualität der konkret von Wilson entworfenen Waffen jedoch von nachrangigem Interesse sein, denn klar ist, dass mit der Idee, Waffen zum Ausdrucken zu entwerfen, etwas Neues begonnen hat, das den Waffenschwarzmarkt grundsätzlich verändern kann. Schon jetzt gibt es zahlreiche Nachahmer oder besser Mitstreiter Wilsons, die seine Idee aufgegriffen haben und gleichfalls Waffen für den 3D-Druck entwerfen. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur um den Bau kompletter Waffen, sondern auch um das Entwerfen von Waffenteilen, durch die vorhandene Kleinwaffen modifiziert und in ihrer Funktion verändert werden. Gebaut werden etwa Magazine oder Schalldämpfer, durch die die Verwendbarkeit der Waffe verändert werden soll.
Außerdem scheint es wichtig, nicht nur den Bereich des 3D-Drucks in den Blick zu nehmen, sondern gleichzeitig auch die technischen Innovationen, durch die die herkömmliche (CNC-)Frästechnik in den vergangenen Jahren einem breiten, privaten Markt zugänglich geworden ist. Das Unternehmen Ghost Gunner etwa hat sich auf den Vertrieb von CNC-Fräsmaschinen spezialisiert, die für die Waffenherstellung optimiert sind. Über die Website können aber nicht nur die entsprechenden Maschinen und Werkzeuge, sondern auch vorgefertigte Rohlinge bezogen werden, die durch den Käufer nur noch fertig bearbeitet werden müssen, um sie dann zu einer Waffe zusammensetzen zu können. Durch diese Herstellungsmethode kann auch im privaten Rahmen auf Metall als Grundwerkstoff zurückgegriffen werden, wodurch sich die Haltbarkeit der hergestellten Waffen dramatisch erhöht. Während die Fähigkeit zur Entwicklung und Herstellung von technisch einfachen Waffen, die unter geringem Aufwand in hoher Stückzahl gefertigt werden können, bisher staatlichen Stellen vorbehalten gewesen ist (Beispiele sind etwa die US-amerikanische FP-45 Liberator Pistole oder die Volkssturmgewehre der deutschen Wehrmacht), so wird diese Fähigkeit nun Privatpersonen bzw. privaten Gruppen zugänglich. Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind derzeit kaum absehbar. Insbesondere die Frage, wie der Waffenmarkt kontrolliert und geregelt werden kann, stellt sich durch diese Entwicklung vollkommen neu.
Ist Deutschland der drittgrößte Exporteur von Kriegswaffen?
Ein Aufsatz des Politikwissenschaftlers Joachim Krause über Rüstungsexporte führt beim Tagesspiegel zu Begeisterung, denn Krause habe „seine Argumente und Belege so übersichtlich zusammengefasst, dass auch Nichtwissenschaftler sie nachvollziehen können.“ Widerlegt habe Krause den Glauben, Deutschland sei „drittgrößter Exporteur von Waffen und Rüstungsgütern; es sei außerdem weltweit der zweitgrößte Exporteur von Kleinwaffen, und deutsche Rüstungsexporte würden zur Entstehung, zur Eskalation und Verlängerung von Kriegen sowie zu Rüstungswettläufen beitragen“. Fazit: Alles halb so schlimm, denn Deutschland ist auf der Rangliste der größten Waffenexporteure höchsten auf Rang 5 oder gar Rang 6, bei den Exporten von Kleinwaffen handele es sich überwiegend um Jagd- und Sportwaffen und überhaupt würden deutsche Rüstungsexporte nicht zum Entstehen oder zur Verlängerung von Konflikten beitragen, die Fallbeispiele Sudan, Libyen, Syrien und Mexiko belegten es.
Mit dieser Zusammenfassung hat der Tagesspiegel die Kernthesen des Beitrags von Krause (Deutschlands Rolle im internationalen Handel mit konventionellen Waffen und Rüstungsgütern: Sind wir die ‚Waffenkammer der Welt‘?. Sirius 2 (2018) S. 137-157.) zutreffend wiedergegeben und zusammengefasst – und trotzdem bleibt das Entscheidende damit noch ungesagt.
Hierzu gehört, dass Krause einräumt, dass es auf Grundlage des von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Datenmaterials nicht möglich ist, eine „Vorstellung von der Höhe der deutschen Rüstungsexporte [zu] gewinnen (verstanden als Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern)“. (Krause 2018, 143) Jeder Versuch, den tatsächlichen Wert abzuschätzen, ist deshalb auf eine Extrapolation angewiesen. Krause attestiert nun SIPRI, dem US-amerikanischen Congressional Research Service (CRS) und Jane’s Defence, (Krause 2018, 142), dass sie unsauber arbeiten, weshalb ihre Angaben und Einschätzungen irreführend sind. Im Hinblick auf die Zahlen über den Export von Kleinwaffen räumt Krause ähnliche Schwierigkeiten ein, denn es gibt „keine Zahlen über die tatsächlich getätigten Transfers“ (Krause 2018, 146). Trotzdem erklärt Krause, die Behauptung „Deutschland sei einer der weltweit größten Lieferanten von Kleinwaffen“ sei „offenkundig falsch, eine fake news.“ (Krause 2018, 149)
Sprich, statt die mangelnde Transparenz der deutschen Rüstungsexportpolitik zu bedauern und mit einer gewissen Zurückhaltung auf das vorhandene Zahlenmaterial zu verweisen, zieht es Krause vor, eine „kognitive Dissonanz“ (Krause 2018, 149) zu konstatieren. Dabei passen „Zahlen, die dem Eindruck einer herausragenden deutschen Rolle bei Waffenexporten widersprechen, schlichtweg nicht in ein vorgefasstes Bild“ (Krause 2018, 149) und werden daher nicht berücksichtigt. Grund hierfür ist das Vorhandensein eines „rüstungskritischen Narrativs“ (Krause 2018, 138), das etwa die christlichen Kirchen von „den linken Rüstungskritikern“ (Krause 2018, 138 Anm. 4) übernehmen und das gleichfalls ungeprüft in die Berichterstattung der „professionellen Medien“ (Krause 2018, 138) – Krause nennt explizit ARD, ZDF, Spiegel, Zeit, Handelsblatt, Süddeutsche Zeitung, Welt und Frankfurter Allgemeine Zeitung – übernommen wird. Als Grund für die Bereitschaft, ein solches Narrativ zu entwickeln und zu pflegen, sieht Krause den Selbsthass der Deutschen verantwortlich, denn „[d]ie Deutschen – so scheint es – leiden an ihren Rüstungsexporten wie kein anderes Volk“. (Krause 2018, 137)
Mit diesem Argumentationsgang bedient sich Krause einer Argumentationsweise, die in den vergangenen Jahren durch die AfD im politischen Diskursraum etabliert worden ist. Dabei wird zunächst ein wie auch immer geartetes linkes Mainstream-Narrativ festgestellt, das deutsche Geschichte auf die Zeit des Nationalsozialismus begrenzt und dadurch ein selbstkritisches Nationalbewusstsein geschaffen hat, das gerade auch im internationalen Vergleich einen Sonderfall darstelle. Dieses linke Narrativ würde durch die Lügenpresse kolportiert und gefestigt. Die bundesdeutschen Mainstream-Medien bieten deshalb kein Beispiel für Journalismus, sondern böten Trolls einen Raum, fake news zu produzieren. Neu an der Argumentationslinie von Krause ist, dass er nicht nur die journalistische Arbeit der deutschen Medien abqualifiziert, sondern in ähnlicher Weise auch die akademische Arbeit von Forschungseinrichtungen wie SIPRI, dem Small Arms Survey, dem CRS und BICC kritisiert.
Ein Erkenntnisgewinn ist mit diesem Vorgehen nicht verbunden und so wäre es für die ursprüngliche Fragestellung des Beitrags zielführender gewesen, wenn sich Krause weniger mit latenten Verschwörungstheorien auseinandergesetzt hätte und dafür ein größeres Augenmerk auf die Diskussion seiner Leitfragen gerichtet hätte. Natürlich ist die Aussage, Deutschland sei drittgrößter Exporteur von Rüstungsgütern weltweit, auf Grundlage des vorhandenen Datenmaterials diskutabel. Dann muss jedoch stärker auf die Begrenztheit der vorhandenen Daten eingegangen werden und zudem klarer definiert werden, was mit Rüstungsexporten eigentlich gemeint ist. – Krauses Definitionsansatz (vgl. Krause 2018, 137) genügt nicht, da er z. B. den Begriff „Komponente“ offensichtlich missdeutet. In gleicher Weise müsste erläutert werden, was unter dem Begriff „Kleinwaffe“ verstanden werden soll und worin sich diese dann von Jagd- und Sportwaffen unterscheiden. Schließlich sollte die These, dass deutsche Rüstungsexporte eine nachrangige Bedeutung in den weltweiten Konflikten spielen, vorrangig im Hinblick auf die Hauptempfängerländer deutscher Rüstungsexporte geführt werden. Diskutiert werden müssten dann die Auswirkungen deutscher Rüstungsexporte etwa auf die Länder der arabischen Halbinsel, allen voran Saudi-Arabien, aber natürlich auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Die These, dass deutsche Kleinwaffenexporte keine internationalen Konflikte verlängert haben, relativiert sich jedoch im Hinblick auf den Krieg im Jemen dramatisch. Der Redaktion des Tagesspiegels aber ist zu empfehlen, auch künftig Daten und Bewertungen kritisch zu prüfen – und das gerade auch, wenn es um das Thema Rüstungsexport geht.