++ Trotz Beihilfe zu Massenmord durch Export von 38.000 Pistolen in 99 Fällen ins Bürgerkriegsland Kolumbien Bewährungsstrafen angekündigt ++
++ Schlag ins Gesicht der Opfer des Einsatzes von Sig-Sauer-Waffen in Kolumbien ++
++ Keine abschreckende Wirkung für zukünftige illegale Waffenhändler ++
++ Bundesregierung muss Rüstungsexportkontrollgesetz verabschieden ++
Pressemitteilung zum Strafprozess gegen Verantwortliche von Sig Sauer vor dem Landgericht Kiel
Freiburg, den 28.02.2019
Angesichts des größten illegalen Rüstungsexports von Kleinwaffen in ein Bürgerkriegsland in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wären hohe Haftstrafen zu erwarten gewesen: Fünf Jahre gemäß Außenwirtschaftsgesetz und ggf. zehn Jahre bei Anerkennung gewerblichen Waffenhandels. Schließlich wird den drei Sig-Sauer-Managern zu Recht vorgeworfen, zwischen April 2009 und April 2011 summa summarum rund 47.000 Pistolen des Typs SP 2022 in die USA geliefert zu haben (was noch legal war). Doch gemäß der Anklage wurden davon mehr als 38.000 zu einem Preis von rund 14 Millionen Euro illegal ins Bürgerkriegsland Kolumbien weiterverkauft. „Waffen wandern, das zeigen meine langjährigen Vor-Ort-Recherchen in Kriegsgebieten“, so der Anzeigenerstatter gegen H&K und Sig Sauer, Jürgen Grässlin. „Das vermeintliche Argument, man liefere Kriegswaffen nur an die Guten, ist bestenfalls Barbiturat fürs Volk.“
Wie das topaktuelle „Dossier: Sig Sauer-Pistolen in Kolumbien“ der Kinderhilfsorganisation terre des hommes belegt (siehe Attachment), sind Sig-Sauer-Pistolen mittlerweile in Kolumbien durch illegalen Handel weit verbreitet, darunter eben auch die SP 2022. Neben der kolumbianischen Polizei (unter ihnen auch Kriminelle), schießen und morden auch illegal bewaffnete Gruppen, wie Paramilitärs, Guerilla und Drogenbanden, sowie in bestimmten Fällen auch Armeeangehörige mit Sig-Sauer-Waffen. Die Zahl der Opfer ist auch unter der Zivilbevölkerung immens hoch. Doch wie bereits beim Strafverfahren gegen Heckler &Koch spielen die Opfer im Prozess gegen Sig Sauer gleichsam keine Rolle.
Der Dramatik dieses Falles ungeachtet zeichnete sich bereits am 26.02.2019, dem Eröffnungstag des Strafverfahrens gegen drei führende Mitarbeiter der Sig-Sauer-Gruppe in Deutschland und der Sig Sauer Inc. in den USA, auf Vorschlag der Staatsanwaltschaft am Landgericht Kiel ein skandalöser Deal mit den Waffendealern ab. Nachdem auf Vorschlag des Vorsitzenden Richters Richter (sic!) die Verlesung aller 99 illegalen Exportfälle frühzeitig unterbunden worden war, präsentierte Oberstaatsanwalt Welz einen Deal gemäß einer Vorabsprache der Staatsanwaltschaft mit den drei Waffendealern von Sig Sauer.
Am 27.02.2019 einigten sich nunmehr Staatsanwaltschaft, Verteidiger und das Landgericht Kiel auf Bewährungsstrafen für die drei Angeschuldigten. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Firma mit Sitz in Eckernförde, unter ihnen der Firmenmiteigentümer Michael Lüke, erwarten gemäß Gericht Bewährungsstrafen in Höhe von bis zu elf Monaten. Ron Cohen, der Topmanager der Schwesterfirma Sig Sauer Inc. in den USA, wird mit einer Bewährungsstrafe von maximal einem Jahr und zehn Monaten bestraft, zudem einer Geldstrafe in Höhe von maximal 900.000 Euro. Zugleich erklärten die Angeklagten ihre Bereitschaft zu Geständnissen.
Für die Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ erklärt Jürgen Grässlin: „Die Beihilfe zu massenhaftem Morden durch den Export von 38.000 Pistolen in 99 Fällen ins Bürgerkriegsland Kolumbien wird seitens der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts Kiel mit Bewährungsstrafen sanktioniert. Dieser Deal mit den Waffendealern von Sig Sauer ist ein Schlag ins Gesicht der vielzähligen Opfer von Sig-Sauer-Waffen in Kolumbien. Viele Angehörige der Pistolenopfer werden entsetzt sein, dass nicht einmal die Hauptververantwortlichen für den widerrechtlichen Deal mit 38.000 Pistolen inhaftiert werden. Eine für andere Waffenhändler abschreckende Wirkung wird von diesem Urteil definitiv nicht ausgehen – ganz im Gegenteil. Die Botschaft der Kiel Justiz lautet: Wer von illegalen Waffengeschäften in Kriegsgebiete profitiert, muss selbst bei immens hohen Liefermengen allenfalls mit Bewährungsstrafen und Geldbußen rechnen.“
Für Aktion Aufschrei fordert Grässlin „die schnellstmögliche Implementierung eines Rüstungsexportkontrollgesetzes als Ersatz für das Kriegswaffenkontrollgesetz und das schädliche Außenwirtschaftsgesetz. Dieses neue REKG soll klare rechtliche Vorgaben für ein grundsätzliches Exportverbot von Kriegswaffen festschreiben, die Haftstrafen im Falle der Beihilfe zu Mord und Massenmord bei illegalem Waffenhandel auf bis zu lebenslange Haft erhöhen und den Weg zu einem Klagerecht gegen Rüstungsunternehmen eröffnen. Den Opfern muss in Nebenklagen eine Stimme gegeben werden.“
Jürgen Grässlin,
Strafanzeigenerstatter gegen Sig Sauer (für Aktion Aufschrei) und gegen Heckler & Koch, Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Bundessprecher der DFG-VK, Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros mit dem GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE
Mob.: 0170-611 37 59 (heute bis 10:00 Uhr und ab 13:30 Uhr), E-Mail: jg@rib-ev.de, E-Mail: graesslin@dfg-vk.de