Die USA haben einen hochrangigen iranischen General durch einen Drohnenangriff auf irakischen Territorium getötet. In der Folge des Angriffes sieht sich Washington mit dem Vorwurf konfrontiert, das Völkerrecht verletzt zu haben.
Zunächst muss dazu festgestellt werden, dass der Drohnenangriff auf einen iranischen General im Irak mehrere geschützte Rechte verletzt. Die getweetete Ankündigung Trumps, ein iranischer Angriff würde „möglicherweise unverhältnismäßig“ beantwortet werden, wird nochmal gesondert betrachtet werden. Beginnen wir jedoch mit einer Situationsanalyse:
In der Nacht des 2. Januar hat die USA den iranischen Generalmajor Qassem Soleimani mit einem Drohnenangriff in der Nähe des Flughafens von Bagdad getötet.
Ajatollah Ali Chamenei, der Oberste Religionsführer des Iran, drohte den USA daraufhin mit Vergeltung. Der US-Präsident hat darauf wie bereits angemerkt zurückgetwittert, dass man einen Angriff des Iran „möglicherweise unverhältnismäßig“ beantworten würde.
Nun stellt sich die Ausgangsfrage: Zu Recht?
Dazu muss man zunächst untersuchen ob es sich hierbei um einen Krieg im Völkerrechtlichen Sinn handelt, und wenn ja, wer ist überhaupt daran beteiligt?
Zunächst bedarf es einer Begriffsbestimmung, das moderne Völkerrecht spricht nicht mehr vom Krieg, sondern von „bewaffneten Konflikten“. Ein „Krieg“ gibt es daher nur noch umgangssprachlich. Die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) nimmt die Existenz eines bewaffneten Konflikts dann an, wenn in ausgedehnter bzw. andauernder Weise Waffengewalt (engl. protracted armed violence) zwischen den Beteiligten angewendet wird. Dabei ist es zunächst unerheblich ob dieser Konflikt zwischen Staaten oder innerhalb eines Staats stattfindet.
Man darf das Vorliegen einer solchen Konstellation im Irak und damit auch im Fall Soleimani wohl bejahen.
Das Problem stellt sich aber in der Folge bei der Frage der Kombattanten. Wem sieht sich die USA hier gegenüber? Dem Irak auf dessen Hoheitsgebiet der Angriff stattgefunden hat? Dem Iran dessen Staatsangehörigen sie umgebracht haben? Dass die Tötung eines Staatsangehörigen einen Angriff auf dessen Heimatstaat darstellt ist umstritten. Unstrittig ist der Beschuss von fremdem Territorium. Hierbei handelt es sich sogar um eines der Regelbeispiele der Aggressionsdefinition der Generalversammlung der Vereinten Nationen (A/RES/3314).
Ein solcher Beschuss könnte völkerrechtlich nicht zu beanstanden sein, sollte dieser Beschuss im Einvernehmen mit dem beschossenen Land erfolgen. Sollte die USA ohne das Einverständnis der irakischen Regierung gehandelt haben, läge also ein völkerrechtlicher relevanter Angriff auf den Irak vor.
In Anbetracht der Tatsache, dass in Folge des Beschusses das irakische Parlament einen Abzug der ausländischen Truppen verlangt und beim UN-Sicherheitsrat eine Beschwerde einlegte, können begründete Zweifel daran formuliert werden, dass der Irak ein solches Einverständnisses gegeben hat.
Es spricht nach eingehender Prüfung der indizier einiges dafür, dass die USA eine völkerrechtlich relevante Kriegshandlung gegen den Irak begangen hat.
Nicht so trivial stellt sich die Situation jedoch im Verhältnis USA und Iran da. Die bereits geschilderte Situation, dass die Tötung fremder Staatsangehöriger nicht automatisch einen kriegerischen Akt gehen dessen Heimatstaat bedeutet, muss dazu nochmal dezidierter betrachtet werden. Dazu müssen wir nochmal auf die bereits angesprochenen Klassifizierungen von bewaffneten Konflikten eingehen. USA und Irak sind eindeutig Staaten, diese sind Konfliktparteien damit liegt ein internationaler, also zwischenstaatlicher Konflikt vor. Es gibt jedoch auch die nicht-zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikte. Von dieser Einstufung hängt jedoch die weitere Begutachtung ab, da das Völkerrecht nur auf die zwischenstaatlichen bewaffneten Konflikte vollständig anwendbar ist.
Klassisches Beispiel für solche nicht zwischenstaatliche bewaffneten Konflikte ist der Kampf gegen eine militärisch organisierte Terrororganisationen. Hierbei wird nicht der Heimatstaat des Terroristen angegriffen, da der Terrorist kein offizieller Vertreter des Staates ist. So hat die Tötung von Osama Bin-Laden in Pakistan nicht zum Krieg mit Saudi-Arabien geführt, obwohl er saudischer Staatsbürger war.
Wenn nun auch Qassem Soleimani kein offizieller Vertreter des Irans war, sondern – wie von den USA eingestuft – ein Terrorist war, könnte es sich im vorliegenden Fall auch um einen nicht-internationaler bewaffneter Konflikt vorliegen, an welchem der Iran nicht zwangsläufig beteiligt sein müsste.
Betrachten wir Qassem Soleimani dazu näher. Er war als Generalmajor für die Quds-Einheit tätig. Die Quds-Einheit ist eine Spezialeinheit der iranischen Revolutionsgrade. Diese wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die Revolutionsgarden gehören jedoch zu den bewaffneten Kräften des Iran. Die Einstufung Qassem Soleimanis als Zivilperson die außerhalb der Kontrolle des Iran steht, ist daher eher fernliegend. Nach Angaben der in London erscheinenden arabischsprachigen Zeitung Asharq al-Awsat unterhält die Quds-Einheit in Qasr Shireen, Ilam und Hamid im Süden des Iran entlang der Grenze zum Irak Ausbildungslager für Angehörige der Mahdi-Armee. Daher dürfte der Getötete durchaus in seiner Funktion als Kommandeur der Quds-Einheit als offizieller Vertreter des Iran gegolten haben.
Die Tötung eines Soldaten oder hochrangigen Kommandeurs ist unstrittig in jedem Fall eine Handlung innerhalb eines internationalen bewaffneten Konflikts. Man darf daher – zumindest umgangssprachlich – von einem Krieg der USA mit dem Iran sprechen.
Der Angriffs auf Soleimani ist in der Folge nach dem Recht des internationalen bewaffneten Konflikts zu bewerten. Dieses regelt, dass nur legitime militärische Ziele angegriffen werden dürfen. Dem entgegen sind Angriffe auf geschützte Personen, insbesondere Zivilpersonen verboten, diese werden dagegen als schwerer Verstoß gewertet und nach dem Römischen Statut über den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH-Statut) zweifelsfrei als Kriegsverbrechen eingestuft.
Da Soleimani als Angehöriger der bewaffneten Streitkräfte des Iran gilt, hat er wie alle Angehörigen der Streitkräfte Kombattantenstatus. Damit geht das Recht zur militärischen Schädigungshandlung einher, aber er wäre damit auch als legitimes militärisches Ziel zu qualifizieren, und hätte angegriffen und getötet werden dürfen. Völkerrechtlich lässt sich also das Kriegsverbrechen eines Angriffes auf eine Zivilperson nicht begründen.
Nun stellt sich die Folgefrage ob die Tötung ein Kriegsverbrechen im Rahmen des Völkerrechts darstellt.
Ist der Angriff der USA auf den Iran völkerrechtlich rechtfertigbar?
Seit dem Zwischenfall drohen sich die USA und der Iran wechselseitig. Diese Drohungen durch beide Staaten sind zweifelsohne verboten. Die Drohung mit Waffengewalt wird zweifelsfrei und unstrittig durch die Charta der Vereinten Nationen verboten. Aber wer wäre völkerrechtlich berechtigt, gegen den jeweils anderen dann auch Waffengewalt einzusetzen?
Im Grunde keiner. Im Grundsatz sind nämlich beide Parteien durch das völkerrechtliche Gewaltverbot aus Art. 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen daran gehindert. Die VN-Charta kennt lediglich zwei Ausnahmen: Die nach ihrem Art. 42 vom Sicherheitsrat autorisierte Gewalt (das sogenannte UN-Mandat) und die Selbstverteidigung nach Art. 51. In der Praxis lautet die wenig befriedigende Antwort also: Der, der anfängt ist im Unrecht.
Ein UN-Mandat liegt offensichtlich nicht vor. Damit bliebe beiden nur die Berufung auf die Selbstverteidigung. Dafür wird jedoch ein rechtswidriger Angriff vorausgesetzt.
Wie bereits festgestellt ist der Drohnenangriff der USA unstrittig ein Angriff im Sinne des Völkerrechts. Wenn dieser Angriff nicht seinerseits durch eine Selbstverteidigungssituation gerechtfertigt ist, wäre er rechtswidrig und löst das Selbstverteidigungsrecht des Irans aus. Dieser dürfte dann legitime militärische Ziele der USA angreifen.
Die USA argumentieren ihrerseits jedoch auch mit der Selbstverteidigung. Man habe mit dem Angriff Soleimanis Pläne für Angriffe auf amerikanische Truppen im Irak verhindern wollen.
Zwar kennt das Völkerrecht keine präventive Selbstverteidigung- aber dennoch muss kein Staat abwarten bis er von einem anderen überfallen wird. Wenn eine unmittelbare und überragende Bedrohung vorliegt, die keine Wahl der Mittel und keinen Moment zur weiteren Überlegung lässt, dürfen Staaten zu den Waffen greifen. 1837 und 1848 wurden diese als „Caroline-Kriterien“ oder „Webster-Formel“ bekannten Voraussetzungen aufgestellt und sind seither zu Völkergewohnheitsrecht erwachsen.
Damit ist die Begründung der USA zunächst einmal auf diese Kriterien hin zu untersuchen. Diese wären erfüllt, wenn vom Iran kontrollierte Kräfte unmittelbar mit Angriffshandlungen auf die USA begonnen hätten. In diesem Fall wäre vice versa wie oben beschrieben eine Selbstverteidigung des Iran nicht zulässig, da kein rechtswidriger Angriff vorliegen würde.
Zwar gab es in jüngerer Vergangenheit eine Reihe von Vorfällen im Nahen Osten, die zumindest seitens der USA dem Iran zugerechnet werden. Wenn sich Angriffe auf Einrichtungen oder Personal der Vereinigten Staaten tatsächlich dem Iran zuschreiben lassen, könnte dies eine Selbstverteidigungshandlung rechtfertigen. Hier stellt jedoch die Unmittelbarkeit der Reaktion auf eine solche Aggressionen Problem dar.
Selbstverständlich darf ein Staat sich verteidigen, dazu muss Ihm Zeit zugebilligt werden um die Verteidigungsfähigkeit herzustellen, jedoch kann er sich nur so lange verteidigen so lange der Angriff bzw. so lange die Bedrohungssituation andauert.
Der zeitliche Rahmen zur Vorbereitung und Verteidigung muss von Staat zu Staat untersucht werden. Ein Angriff auf eine Supermacht wie Amerika dürfte dieser ein überschaubares Zeitfenster zur Reaktion eröffnen, da sie über ein mobiles, weit verteiltes stehendes Heer verfügt. Ein Angriff auf die USA müsste also binnen Tagen durch diese beantwortet werden um von Selbstverteidigung sprechen zu können. Bei kleinen Staaten müsste die Frist entsprechend angepasst werden.
Es bleibt abzuwarten welche Begründung die USA dem UN-Sicherheitsrat vorlegen werden. Das Anzeigen dieser Selbstverteidigung durch die USA an den UN-Sicherheitsrat ist sofort vorzunehmen. Einziger zeitlich naher Zwischenfall wäre der Angriff auf die US-Botschaft im Irak zu Silvester. Dabei kamen allerdings keine Amerikaner zu schwerem Schaden oder wurden getötet, auch wurde der Kernbereich der Botschaft nicht betreten. Wie man damit die Tötung eines hochrangigen iranischen Generals rechtfertigen kann darf abgewartet werden. Es könnte aber auch einfach zu spät gewesen sein um die Tötung Soleimanis mit den Krawallen an der US-Botschaft im Irak zu rechtfertigen.
Selbst wenn man einer Rechtfertigung durch Selbstverteidigung der USA folgt, und damit die der Tötung Soleimanis zulässig wäre, ließe sich damit der geschilderte Angriff auf den Irak dennoch nicht rechtfertigen.
Insgesamt darf nach der Situationsanalyse und einer rechtlichen Untersuchung die Rechtmäßigkeit eines Angriffs auf den Iran, und auch auf den Irak bezweifelt werden.
Wie angekündigt müssen wir uns noch den Tweets aus dem weißen Haus widmen.
Am Samstag kündigte Donald Trump an, es seien bereits 52 Ziele (in Anlehnung an die damals 52 amerikanischen Geiseln bei der Geiselnahme von Teheran) ausgewählt, die im Falle einer militärischen Reaktion Irans sehr schnell und sehr hart getroffen werden könnten. Darunter auch Ziele auf „auf sehr hoher Ebene“ und von großer Bedeutung für den Iran und die iranische Kultur. Die Reaktion auf einen iranischen Angriff werde sogar „vielleicht in unverhältnismäßiger Weise“ erfolgen.
Wie bereits geschildert sind diese Drohungen durch das Gewaltverbot der UN-Charta verboten. Sie wären allenfalls dann rechtfertigbar, wenn sich die USA tatsächlich auf das oben beschriebene Selbstverteidigungsrecht berufen könnte.
Die Drohungen, „für die Kultur bedeutende Ziele“ zu treffen oder insgesamt „unverhältnismäßig“ zuzuschlagen, sind jedoch unabhängig von Selbstverteidigung oder nicht ausgesprochen problematisch. Das Recht auf Selbstverteidigung darf, wenn überhaupt nur verhältnismäßig ausgeübt werden. Es ist keine Freikarte ein anderes Land in Schutt und Asche zu legen. Weiterhin schützt das humanitäre Völkerrecht Kulturgüter vor direkten Angriffen. Auch wenn die Berater des Präsidenten in Washington bereits mit Relativierung dessen Worten beschäftigen – mit diesen Tweets ist Präsident Trump nicht mehr weit von der Ankündigung eines Kriegsverbrechens entfernt.