DAKS-Newsletter Februar 2020

Der Terroranschlag von Hanau zeigt, dass Gewalt kein Phänomen ist, dass sich nur außerhalb von Deutschland ereignet. Trotzdem soll in diesem Newsletter zunächst der Blick auf Thailand, die USA und Libyen gerichtet werden, dies geschieht aber nicht, weil es aus Deutschland nichts zu berichten gäbe, sondern nur, weil die Situation in Deutschland zu traurig ist.

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DAKS-Newsletter Februar 2020

DAKS-Newsl-2020-02

Thailand: Soldat erschießt Menschen mit einer HK-Waffe

Es ist im Grunde „egal“, ob der Soldat, der u. a. in einem Einkaufsviertel der thailändischen Stadt Nakhon Ratchasima Menschen erschossen hat, dies mit einem Gewehr von Heckler & Koch getan oder ob er eine andere Waffe benutzt hat. Alle Kleinwaffen töten, und wenn es sich wie in diesem Fall um automatische Schusswaffen handelt, um so „einfacher“ und schneller. Deshalb steht im ARD-Bericht auch, dass der Täter ein Maschinengewehr verwendet hat. Denn das ist es ja, ein massenhaftes Töten durch Geschosse aus einer Kleinwaffe. Der Täter postet sich selbst während seines Angriffs auf die Menschen im Einkaufszentrum, so zeigt es die Daily Mail, und hält dabei eine Variante des HK33-Gewehrs in der Hand, ein Gewehr, mit dem das Militär des Landes ausgerüstet ist. 21 Menschen sterben, so hoch ist laut ARD die Zahl der Toten, die Verletzten werden nicht genau angegeben (eine thailändische Online-Zeitung nennt die Zahlen von 27 Toten und 57 Verletzten). Auch der Täter wird erschossen.

Bleibt die Frage, wie und warum solche Gewalttaten entstehen, im konkreten Fall, und auch die Frage, wie sie verhindert, und wenn schon im Gange, wie sie beendet werden können. Für die deutsche Gesellschaft und für die deutsche Waffenfirma Heckler & Koch bleibt aber vor allem die Frage, warum diese Art von Waffen dorthin verkauft werden, wo sie keiner Kontrolle mehr unterliegen. Sicherlich ist eine staatliche Armee generell immer noch ein verlässlicherer Empfänger als nicht-staatliche Gruppen oder simpel Kriminelle. Doch Waffen sind keine Kühlschränke, Bleistifte oder andere Produkte, sondern eben Waffen, hier sogar militärischen Typs. Warum sollte man sie aus Deutschland exportieren bzw. exportieren dürfen?

Ja, man kann natürlich fragen, wie es denn mit den Waffen aussieht, die von der Polizei und den Sicherheitskräften eingesetzt wurden, um den Angreifer zu stoppen, ob das nicht „gute“ Waffen seien. Das kann man fragen, aber nicht, wenn man aus einem Land kommt, das so viele Waffen in die ganze Welt liefert, und nicht, wenn man einer Firma angehört, die am Waffenhandel Geld verdient. Das verbietet der Anstand. Falls Waffenhersteller und Waffenverkäufer so etwas haben.

Kurz zur Geschichte dieses Empfängerlands: Militärregierungen von 1947 bis 1973, starke Militarisierung des gesellschaftlichen Lebens, Armeegewalt gegen ZivilistInnen, 1976 erneuter Militärputsch, ebenso 1991, in den 2000er Jahren ein äußerst brutaler Anti-Drogen-Krieg der Regierung, dem rund 2000 Menschen zum Opfer fallen, weitere schwere Menschen- und Bürgerrechtsverletzungen, kriegerische Grenzkonflikte, 2014 wieder Militärputsch – doch parallel dazu Waffenverkäufe, unter anderem aus Deutschland, auch von Heckler & Koch.

Bundeswehr und Polizei: Waffen-Verschwinden als Kavaliersdelikt!

Die „Welt am Sonntag“ hat sich mit dem Thema „Waffen-Verschwinden bei Bundeswehr und Polizei“ befasst (Autoren: Alexej Hock und Marc Pfitzenmaier). Gut so! Denn auf diese Weise erreicht dieses eigentlich unglaubliche Geschehen mehr Bürgerinnen und Bürger, wenn auch größtenteils nur jene, die diese Zeitung lesen wollen. Was passiert? Die deutschen Streitkräfte und die Polizeibehörden sind nicht fähig oder willens, ihre Waffenbestände und die ihnen anvertraute Munition korrekt zu verwalten und sicherzustellen, dass alle Waffen auch in ihrem Besitz bleiben. Das sollte man von staatlichen Organen ja eigentlich erwarten können. „Bei Einsätzen liegen gelassen“, wie bitte? „Bei Truppenübungen abhanden gekommen“? Unfassbar, sonst nichts. Da verschwinden also (laut „Welt am Sonntag“) mal eben und ohne dass es einer zentral aufschreibt, P8-Pistolen, G3-Gewehre und G36-Gewehre, allesamt von Heckler & Koch, und bei den Polizeien, dem BKA und der Bundespolizei sieht es verlust-zahlenmässig auch nicht wirklich besser aus.

Aber es ist wie immer: Wo Menschen am Werk sind, geht Technik auch mal andere Wege als geplant, egal ob im Waffenhandel oder bei der Atomkatastrophe in Fukushima. Der Vergleich ist zu krass? Kann sein, aber rechnen wir uns mal aus, dass von den 105 „verloren gegangenen“ Waffen, von der die Zeitung für die letzten zehn Jahre spricht, auch nur ein kleiner Teil bei den Leuten ankommt, die neonazistischen Organisationen angehören, was dann? Es bestehen bekanntlich Kontakte zwischen Soldaten und diesen Leuten (oder die Mitglieder unserer „Sicherheitskräfte“ gehören selbst zu jenen neonazistischen Organisationen). Wenn also bei vielen dieser Leute ein gleiches Denken herrscht, das ist ja leider schon klar geworden, wäre doch eine Weitergabe oder ein „Weiterwandern“ gut möglich! Wir sprechen hier von militärischen Schusswaffen, nicht von einem „simplen“ Jagdgewehr (gefährlich genug). Schützt die Polizei die Bevölkerung oder rüstet sie stattdessen – womöglich rechtsradikale und antisemitische – Täter aus? Das scheint den verantwortlichen SoldatInnen und PolizistInnen aber egal zu sein, den PolitikerInnen auch. (Es riecht nach Korpsgeist.)

Bei Waffenexporten kümmert sowas dann erst recht keinen: Die US-Lieferungen von Kleinwaffen in den Irak, die deutschen Lieferungen von kleinen und leichten Waffen in den Irak und die weitere Region, niemand weiß, wo all diese militärischen Schusswaffen geblieben sind und wer mit ihnen bereits tötet oder noch töten wird. Was wir wissen: Diese Waffengeschäfte und -weitergaben haben die Region absolut nicht sicherer gemacht. Einfache Möglichkeit zu helfen: Flüchtlingen und MigrantInnen sicheres und echtes Asyl geben. Und: Waffenexporte verbieten. Das erste geht mit menschlicher Politikgestaltung in dieser Notsituation und mit Hilfe aus der Bevölkerung, das zweite mit einem grundsätzlichen Politikwechsel und einem Rüstungsexportkontrollgesetz. Beides ist dringend.

Die USA werden mehr Landminen produzieren und einsetzen

Die Ankündigung der Regierung Trump, wieder Antipersonen-Minen zu verlegen, ist eine schlechte Nachricht. Sie wird erstens faktisch zu einer Verringerung der Sicherheit von Menschen führen, die in Ländern und Gebieten leben, in denen das US-Militär und seine vielen privaten Kriegs-Dienstleister agieren, also zu einer Erhöhung von Toten und Verstümmelten, plus den sozialen und wirtschaftlichen Folgen solcher katastrophalen Verletzungen und Tötungen. Minen sind stille Killer, sie töten oft noch Jahre und Jahrzehnte nach den „heißen“ Konfliktzeiten. (Wir berichteten im DAKS-Newsletter im November 2019 über den aktuellen Landminen-Monitor.) Insofern ist klar, dass jenes Verbot, das US-Präsident Obama ausgesprochen hatte (außer für Korea), nur die neu verlegten Minen betrifft, die früher verlegten Minen sind weiterhin da und ebenso weiterhin tödlich.

Die Organisationen, die gegen die Landminen-Plage arbeiten, sind natürlich „entsetzt“, wie es im ARD-Bericht beschrieben wird. Handicap International (HI) habe von einem „historischen Rückschlag für den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten“ gesprochen, Jeff Meyer, der US-Direktor von Humanity & Inclusion, wird so zitiert: „Es gibt Kriegsakte, die einfach tabu sind.“ Ähnlich die Medienberichte aus dem Ausland: Die New York Times weist ebenfalls darauf hin, dass nur solche Minen-Typen verwendet werden sollen, die sich nach einer gewissen Zeit selbst zerstören oder abschalten, doch diese Mechanismen können keinesfalls als sicher gelten und sind an sich auch nicht unproblematisch. Und: Das Signal, dass die Supermacht USA diese Art von Kriegswaffen wieder mehr einsetzen will, ist verheerend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die US-Zeitung informiert auch über anscheinend neue Zuständigkeiten bei der Minenverlegung, die zukünftig nicht mehr beim US-Verteidigungsminister, sondern bei den jeweiligen regional verantwortlichen Militärführungen liegen sollen – was die Sache nur schlechter machen kann, da auf diese Weise weniger Kontrolle und Übersicht herrschen.

Die USA sind nie, auch nicht während Obamas Amtszeit, der Ottawa-Konvention beigetreten. Schlimm genug, doch nun könnten sie – selbst im Fall, dass sie diese Waffentypen nicht einsetzen würden – andere Staaten (und auch nicht-staatliche Gruppen) animieren, Trumps Schritt zu folgen und die Ächtung von Minen zu beenden. Das würde ganz real zu noch mehr Opfern führen. Und: Northrop Grumman und Textron Systems, so die New York Times, forschen – mit Geld der US-Regierung – an neuen Minen-Modellen, die der Ottawa-Konvention entsprechen. Und die am Ende doch wieder nur Menschen töten werden. US-Verteidigungsminister Mark Esper sehe es anders, so berichtet die BBC, er habe gesagt, dass Landminen für das US-amerikanische Militär von zentraler Bedeutung seien.

Landmine.de berichtet ebenfalls über diesen furchtbaren Schritt der USA. Dort heißt es (neben weiteren Informationen zum Thema): „Wir haben ernste Bedenken hinsichtlich der ‚Intelligenz‘ jeder Waffe. Unsere Mitarbeitenden sehen täglich aus erster Hand, wie als ‚präzise‘ und ‚intelligent‘ vermarktete Waffen täglich Zivilist/-innen auf der ganzen Welt verletzen, verstümmeln und terrorisieren. Die Vorstellung, dass so genannte ‚intelligente‘ Landminen sicherer sind als ältere Typen, ist absurd.“ Dem ist völlig zuzustimmen.

Und ein wichtiger Aspekt darf nicht vergessen werden: Produzieren heißt immer auch Exportieren. Denn die Firmen wollen Geld verdienen und der eine nationale Kunde reicht dafür nur in seltenen Fällen. Das wird andere Firmen in anderen Ländern auf den Plan rufen, die sich auch ein Stück vom (blutigen!) Kuchen sichern wollen. Es kann eine Spirale der Minenaufrüstung ausgelöst werden. Daher ist auch diese Aussage von Landmine.de völlig richtig: „Wir lehnen es aufs Schärfste ab, dass sich die Militärkommandeure wieder zum Einsatz von Minen ermächtigt fühlen. Die sicherste Landmine ist die, die nie produziert wird.“

Landmine.de bietet weitere Informationen zur Minenproblematik, etwa zur Überprüfungskonferenz zum Landminenverbot, die im vergangenen November in Oslo stattfand. Hier ging es u. a. um große Herausforderungen für die Räumarbeit: So sei es zunehmend schwierig, Minen in städtischen Gebieten zu räumen, in denen explosive Überreste in Schutt vergraben sind, ebenso sei es bei langandauernden Konflikten oder in sehr abgelegenen Gebieten schwierig, Räumteams dorthin zu entsenden. Auch die Versorgung der betroffenen Menschen in entlegenen Regionen sei oft problematisch. Und es gebe auch innovative Projekte, z. B. sollen bei der Herstellung von Prothesen und Orthesen (Schienen) 3D-Scanner zum Einsatz kommen, Drohnen und Roboter sollen die Arbeit der Minenräumteams sicherer machen.

Otfried Nassauer (BITS) sieht Trumps neue Minen-Politik im größeren Kontext: Dieser US-Präsident habe in den drei Jahren seiner Amtszeit in der internationalen Politik enormen Schaden angerichtet, vor allem im Bereich der Rüstungskontrolle. Seine jetzige Entscheidung sei eine Art humanitärer Katastrophe, statt eine, nämlich die der Landminen, zu beenden. Trump wolle sich nicht durch Rüstungskontrolle und das humanitäre Völkerrecht einschränken lassen, stattdessen setze er auf das Recht des Stärkeren. Nassauer verweist in dem taz-Artikel auf ein mögliches Problem: Würde der Befehlshaber des europäischen Oberkommandos der US-Streitkräfte (traditionell in Personalunion auch Oberbefehlshaber der NATO) in einem Konflikt den Einsatz von Landminen durch US-Truppen anordnen, wäre der Streit in der NATO programmiert, denn alle anderen NATO-Staaten hätten das Abkommen über ein Verbot von Anti-Personenminen unterzeichnet und ratifiziert.

Berliner Libyen-Konferenz und die deutsche Rolle im Bürgerkrieg

Die im Jahr 2011 erfolgte militärische Intervention in Libyen, die zum Sturz von Gaddafi führte, hat dem Land keinen wirklichen Frieden gebracht, denn seitdem bekriegen sich verschiedenste Milizen und Gruppen, die für ihren Bürgerkrieg auf die Unterstützung ausländischer Kräfte rechnen können.

Um diese Eskalation zu verhindern, hatte der UN-Sicherheitsrat bereits im Jahr 2011 eine Resolution (S/RES/1970 (2011)) verabschiedet, durch die das Land isoliert und der Konflikt eingedämmt werden sollte.

Die EU hat dieses Votum schnell umgesetzt und ein EU-Waffenembargo verhängt, das zuletzt durch EU-Verordnung 2016/44 aktualisiert worden ist. Nachdem zahlreiche EU-Länder Gaddafi über Jahrzehnte hinweg mit Waffen beliefert haben, kann dies jedoch allenfalls als eine symbolische Handlung betrachtet werden, denn zu einer Reduzierung des Bestandes von Kriegswaffen konnte diese Maßnahme nicht beitragen. Hinzu kam, dass das verhängte Waffenembargo seit seinem Inkrafttreten immer wieder gebrochen wurde. In einem umfassenden Bericht stellte eine Expertenkommission der UN verschiedene Verstöße gegen das Waffenembargo dar und berichtete insgesamt über die Lage in dem Bürgerkriegsland. Akteure dieser externen Einmischung sind die EU, die im Rahmen der EU-Grenzsicherung im Jahr 2013 mit der Ausrüstung und Schulung libyscher Kräfte begonnen hat. Ebenfalls aktiv sind aber auch verbündete Staaten der EU, wie etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, die seit 2014 im Land aktiv sind und deshalb immer wieder in der Kritik stehen, sich in den Bürgerkrieg einzumischen.

Die Bundesregierung unterstützt diese Einmischungen, in dem sie das UN-Waffenembargo und die EU-Verordnung zu Libyen weit auslegt und trotz dieser Rechtsgrundlagen Genehmigungen zum Export von Rüstungsgütern nach Libyen erteilt. So wurden etwa in den Jahren 2011, 2013, 2014, 2017 und 2018 Genehmigungen für den Export von gepanzerten Geländewagen erteilt, die von unterschiedlichen internationalen Abnehmern im Land genutzt werden sollen. Im Jahr 2015 wurde der Export von Kleinwaffen für die EU-Missionen genehmigt und im Jahr 2016 die Vermittlung von gepanzerten Geländewagen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Libyen.

Diese Praxis der Bundesregierung muss im Hinterkopf behalten werden, wenn man die Ergebnisse der Berliner Libyen-Konferenz richtig bewerten möchte, die am 19.1.2020 zu Ende gegangen ist. So ist es natürlich sehr erfreulich, dass sich die Teilnehmerstaaten – allen voran Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate – erneut zur Einhaltung des Waffenembargos aus dem Jahr 2011 verpflichtet haben Allein, ob diese rechtlich unverbindliche Erklärung wirklich eine Chance auf Umsetzung hat, bleibt sehr zweifelhaft.

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