DAKS-Newsletter Oktober 2014 ist erschienen!

Die Bundeswehr, der Irak und Waffen. Drei Themen die vieles gemeinsam haben.Im neuen Newsletter haben wir versucht diese drei Aspekte zusammen zu denken und plötzlich stellt sich die Diskussion, über die angeblich mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr in einem völlig neuem Licht dar.

Abgerundet wird der Beitrag durch Meldungen aus der „Sicherheitsindustrie“ und über die finanzielle Situation des deutschen Kleinwaffenherstellers Heckler & Koch.

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Bundeswehr in den Schlagzeilen: Deutsche Waffen für den Irak

Die Bundeswehr war in den letzten Wochen doppelt in den Schlagzeilen vertreten. Einmal wurde der „Mängelbericht“ diskutiert, in dem verzeichnet sei, dass die Bundeswehr derzeit ihren Bündnisverpflichtungen gegenüber der NATO nur bedingt nachkommen kann, weil zu viele Waffen und Waffensysteme defekt seien. Spiegel Online berichtete über die Situation und löste damit anders als im Jahr 1962 keine Affäre aus. Dann sind es jedoch die Waffenlieferungen an die Kurden im Irak, über die berichtet wird. Durch die geplante Lieferung von MILAN-Lenkwaffensystemen, Panzerfaust 3-Systemen, MG3-Maschinengewehren, G3- und G36-Schnellfeuergewehren und schließlich auch halbautomatischen Pistolen des Typs P1 sollen die Kurden in die Lage versetzt werden, die IS-Kämpfer zu besiegen. Auf den Zusammenhang der zwischen beiden Schlagzeilen wurde sogar schon in der Tageschau hingewiesen. – Und wieder löste die Berichterstattung keinen Skandal aus. Das Fazit der Tagesschau lautet: „Die Liste liest sich wie ein Sammelsurium aus überschüssigem Gerät, das man in den Depots der Armee zusammengesucht hat und auf das man problemlos verzichten kann. Und genau so ist es wohl auch.“ Dem ist nur sehr wenig hinzuzufügen. Genau genommen nur drei Dinge: 1.) Die Waffen, die die Bundeswehr in den Irak schickt, sind alt. Die Entwicklung der Pistole P1 etwa datiert in die 1930er Jahre, liegt also gut 80 Jahre zurück. Trotzdem, da haben die Bundeswehr-Planer Recht, werden auch diese Waffen ihren Zweck erfüllen, Menschen töten und die IS-Kämpfer zurückdrängen. 2.) Wenn schon diese „alten“ Waffen genügen, um die angeblich gut ausgerüsteten IS-Kämpfer zu besiegen, dann zeigt das vor allem auch die Asymmetrie der Kräfteverhältnisse. Die NATO-Staaten hätten in den vergangenen Jahrzehnten keine neuen Waffen entwickeln müssen, um bis heute die Schlachtfelder der Erde unangefochten zu beherrschen. 3.) Weil dies so ist, haben all jene Unrecht, die behaupten, die Bundeswehr bräuchte mehr Geld um einsatzfähig zu werden. Das ist unrichtig, weil die Bundeswehr schon jetzt in ihrem angeblich desolaten Zustand in der Lage ist, jedes Schlachtfeld zu dominieren. Die Bundeswehr benötigt deshalb weder mehr Waffen noch „bessere“ Waffen noch mehr Geld. Notwendig ist nur ein Einziges: die NATO-Planungen müssen angepasst werden. Mehr „Leistung“ ist gar nicht erforderlich. Das Einzige, worüber diskutiert werden könnte, ist, ob nicht andere Leistungen – etwa im Bereich der zivilen Konfliktprävention – wünschenswert und nötig wären.

Jane´s: Meldungen aus der globalen Sicherheitsindustrie

Wer einen Blick auf die Informationen der Firma Jane´s wirft, bekommt eine Hochglanzwelt der Verteidigungstechnologie und Waffenästhetik geliefert. Quasi der Ferrari unter den Informationsdienstleistern zum Thema Kriegstechnik, von daher auch nicht ganz billig. Dennoch lohnend. Wenn man das ideologische Drumherum – Militärpropaganda und Sicherheitswahn vorwiegend westlicher Staaten – zur Seite schiebt, gibt es doch Hinweise auf Entwicklungen und Planungen (die man dann aufgrund der Unnachprüfbarkeit mit Vorsicht genießen muss).

Zum Beispiel berichtet Jane´s über die Firma Thales Australia bzw. über deren Planung für eine neuartige Kleinwaffen-Munition (gemeinsam mit einer nicht genannten Partnerfirma außerhalb Australiens). Die so genannte F9-Technologie umfasst verschiedene Kaliber, unter anderem die Typenbereiche 4,6 mm und 5,56 mm. Gerade das NATO-Kaliber 5,56 mm solle, so die Meldung, das bisherige Kaliber 7,62 mm (G3, MG3 und andere) in seinen Eigenschaften übertreffen. Mehr erfährt der Leser nur, wenn er sich als Klient einloggt und zahlt. Wenn man dann auf der Internetseite von Thales Australia sucht, bekommt man dort zwar (noch) keine schicke Pressemeldung, kann aber zum Beispiel erfahren, dass Diehl (mit Sitz in Nürnberg) und Australia Munitions seit Herbst 2013 eine neue Handgranate entwickeln (die sicherlich vor allem in der Landesverteidigung Australiens eingesetzt werden wird…), und man kann lesen, dass ebenfalls seit letztem Jahr Singapore Technologies Kinetics Ltd (ST Kinetics) und Australia Munitions die 40-Millimeter-Granaten (Typ „low velocity“) weiterentwickeln wollen. (Auch diese Granate wird in der Zukunft hauptsächlich innerhalb der Grenzen Australiens abgefeuert werden, das steht fest.) Weiter kann man lernen, dass der Granatwerfer SL40 der österreichischen Firma Steyr Mannlicher für das sich in der Entwicklung befindliche Gewehr EF88 von Thales Australia ausgewählt wurde. (Darüber bloggt auch N.R. Jenzen-Jones.) Richtig interessant, aber auch ungenau wird es, wenn davon gesprochen wird, dass das US-Militär und andere westliche Armeen an den Militär-Kleinwaffen der Zukunft forschen, in Projekten, die nebulöse Namen wie LDAM, CLAWS und SAAC tragen.

Ziemlich bodenständig ist dagegen die Information, dass die deutsche Firma Walther Pistolen des Typs P99Q an estnische Polizeikräfte liefert, nach Firmenaussage „ein weiterer wichtiger Kunde im Behördenbereich“. Das wird Heckler & Koch interessieren, und eventuell eines Tages das russische Militär. Aber auch deutsche Landespolizeibehörden kennen nun einen weiteren Kunden, wo sie vielleicht ihre Altwaffen loswerden, wenn in ein paar Jahren, sagen wir in Hamburg, Bremen oder Rheinland-Pfalz, wieder die Waffenfirma gewechselt wird. Und Estland ist nicht das einzige Land mit Walther-Pistolen, denn die Firma konnte auch die niederländische Polizei als Waffenkunde gewinnen, wie Martin Schwarz in der WAZ und auch ein Blogger von Strategie und Technik berichteten.

Heckler & Koch in finanziellen Schwierigkeiten?

Es ist alles andere als eine neue Nachricht, dass Heckler & Koch in einer finanziell angespannten Situation agiert (siehe DAKS-Newsletter 08/2013 und 04/2012). Die Schuldenlast von 295 Millionen Euro ist drückend und da sie mit 9,5 % verzinst ist, stellen allein schon die Zinszahlungen das Unternehmen vor eine Herausforderung. 2013 war Heckler & Koch bilanziell überschuldet – und es ist nicht erkennbar, weshalb sich an dieser Situation bis heute etwas geändert haben sollte. Im Gegenteil: Angesichts der im November fälligen Zinszahlung in Höhe von geschätzten 14 Millionen Euro, die geschätzten Barreserven von 8,3 Millionen Euro gegenüber stehen, sind die Aussichten eher düster. Moody’s stufte das Unternehmens-Rating deshalb nun auf Caa3 hinunter. Ein Zahlungsausfall hat demnach derzeit noch nicht stattgefunden, scheint aus Sicht der Rating-Agentur aber immer wahrscheinlicher zu werden. Die Prognose für die künftige Entwicklung lautet deshalb auch auf „negativ“.

Angesichts dieser Situation ist es eigentlich gleichgültig, ob Heckler & Koch die Zinszahlungen Mitte November leisten kann oder nicht. Das Unternehmen ist überschuldet und der Handlungsspielraum der Geschäftsführung ist, nach Darstellung von Moody’s, mehr und mehr eingeschränkt. Nun ist der Ausdruck „Insolvenzverschleppung“ tatsächlich ein sehr drastisches Wort, dennoch wäre im Fall eines Zahlungsausfalls zu fragen, ob eine solche stattgefunden haben könnte.

Afghanistan als Comic? Teil 2

Nach der Rezension von Arne Jyschs Abenteuercomic „Wave and Smile“ soll es im zweiten Teil dieser Betrachtung von „graphic novels“ um den Band „Kriegszeiten“ gehen, der einen Seitenumfang von etwa 130 Seiten hat und ebenfalls 2012 im Carlsen Verlag erschien. Der Text ist von David Schraven (Geburtsjahr 1970); die in diesem Fall nicht weniger wichtigen Zeichnungen sind von Vincent Burmeister (Geburtsjahr 1983). Der Untertitel „Eine grafische Reportage über Soldaten, Politiker und Opfer in Afghanistan“ zeigt bereits den großen Unterschied zu Jyschs Band. Schraven, Journalist in Nordrhein-Westfalen und mit investigativer Arbeit gut vertraut, hat unter anderem vor Ort intensiv recherchiert und präsentiert eine durchaus differenzierte Sicht auf das Kriegsland und das Treiben der Mächte in der Region. Das macht seinen Text zu einem interessanten Blick auf die verborgenen Interessen in diesem Konflikt und auf die damit zusammenhängenden kriminellen, politischen und wirtschaftlichen Machenschaften verschiedener Akteure.

Trotzdem gibt es Gründe für deutliche Kritik an dem Band, aus politischer und ästhetischer Perspektive. Obwohl mehr von den Behauptungen eingehalten werden, die schon für Jyschs Band erhoben wurden, weil hier tatsächlich etwas über die Widersprüche und Ungereimtheiten eines Krieges zu erfahren ist, sind es gerade die unvollständige Interpretation des Afghanistan-Krieges und die politisch einseitige Sichtweise, die Probleme bereiten. Schraven beleuchtet unterschiedliche Aspekte und Beziehungen, etwa die sich verändernde Umgangsweise der deutschen Soldaten mit der afghanischen Bevölkerung, aber letztlich bleibt sein Blick ein westlicher. Schlimmer noch, die Deutschen erscheinen oftmals als die vom Kriegsgeschehen Getriebenen, denen kein Ausweg bleibt, als Täter zu werden, weil es eben in einem Krieg so sei. Sie werden Opfer des Krieges. Das dem so sein kann, lässt sich nicht verneinen, aber es kommt eben auf die Gewichtung an. Eine Art Fatalismus macht sich breit, um nicht zu sagen, eine depolitisierende Larmoyanz. Wir sollen den Krieg als Krieg benennen, verstehen, dass Soldaten töten (und sterben), aber das Ziel, so Schraven selbst, scheint uns (und ihm) nicht klar zu sein. Hier hätte es geholfen, bei der Recherche eben nicht nur die Bundeswehr- und Soldaten-Perspektive auszuloten, sondern auch die Ansichten und Aussagen von kriegskritischer Seite zu berücksichtigen, die ja nicht wenig substantiell sind und gerade durch ihre Kritik so einiges an hilfreichen Erkenntnissen hervorbringen. Zum Beispiel: Deutschland scheint sich in einer Entwicklung zu befinden, in der viele politisch Verantwortliche eine Kriegspolitik wollen, um international wieder „Anschluss zu finden“. Dazu passt Schravens Hinweis auf kommende Einsätze: „Vielleicht im Nahen Osten. Vielleicht in Afrika. Vielleicht in Asien.“ Dann ist doch schon klar, dass Afghanistan nur ein Zwischenschritt ist. Man muss dieser Argumentation nicht folgen, aber es findet sich keine solche weitergehende Reflexion in dem Band, keinerlei Kritik am Machtgedanken oder am Angriffskrieg. Vielleicht wäre das zu schwermütig, zu bedrückend. Stattdessen finden sich Sätze wie (sinngemäß), dass „das Volk“ die Soldaten unterstützen muss. Als ob es um die Soldaten ginge. Wer stirbt denn in Afghanistan? Die NATO-Soldaten?

Vincent Burmeister, mit dem Schraven schon vorher bei dem Band „Die wahre Geschichte vom Untergang der Alexander Kielland“ zusammengearbeitet hat, schafft es, den Texten von Schraven eine grafische Umsetzung zu geben, die einen eigenen Charakter hat. Die Zeichnungen sind eindrücklich, haben eine dem Thema angemessene Schwere (auch durch die von Schwarz sowie Gelb- und Brauntönen bestimmte Kolorierung) und helfen dem Leser, sich auf die ernste Problematik zu konzentrieren. Aber Burmeisters Bilder sind auch immer wieder von einer eigenartigen Sensationslust, so dass man sich fragt, ob an manchen Stellen nicht weniger mehr gewesen wäre. Gerade jene Stellen im Text, die den Opferstatus der deutschen Soldaten so sehr hervorheben und die Unerhörtheit einer deutschen Kriegsbeteiligung verdecken, werden von Bildern begleitet, die dem nicht entgegenwirken, sondern fast überraschend im Klischee einer Kriegsdarstellung stecken bleiben (etwa im dritten Teil des Bandes, der mit „Krise“ überschrieben ist und in dem Waffen und Kriegstechnik dargestellt werden). Das ist schade und schadet dem Band insgesamt.

(Interessantes Detail: Bevor geschildert wird, wie deutsche und afghanische Truppen bei der Offensiv-Operation „Halmazag“ im Oktober / November 2010 gemeinsam eine „Taliban“-Stellung angreifen, wird gezeigt, wie ein Arm ein G36-Gewehr weiterreicht, wobei unklar bleibt, ob es sich bei dem Empfänger um einen deutschen oder einen afghanischen Soldaten handelt.)

Bisher hat der Afghanistan-Krieg keine große Literatur, wie man so sagt, hervorgebracht. Schravens und Burmeisters graphic novel wäre eine tiefergehende, literaturwissenschaftliche (wohl auch kritische) Analyse wert. Als Jugendbuch ist der Band allerdings nicht zu empfehlen, auch wenn eine Jugendjury ihn 2013 für ihren Jugendliteraturpreis nominierte. Dafür zeigt er das Geschehen zu einseitig und wirkt dadurch auch verfälschend.

Kinder und Kriegswaffen: Bundeswehr in schlechter Gesellschaft

Dass in vielen Ländern der Welt Kinder in bewaffneten Konflikten und Kriegen schießen und töten (und sterben) müssen, gehört zu den traurigen Auswirkungen der Kleinwaffenproblematik. Die heutigen Schusswaffen sind durchaus von Minderjährigen zu bedienen und reißen die Kinder damit in die Kriegsereignisse hinein. Dass die Bundeswehr hier keinen klaren Weg geht und als Vorbild einer 18-Jahre-Grenze vorangeht, ist unverständlich und nicht zu tolerieren. Michael Schulze von Glasser informiert über die zu kritisierende Werbepraxis der Armee im Freitag. Er lässt u. a. Ralf Willinger (terre des hommes) zu Wort kommen, der darauf hinweist, dass sich die Kinder in Schulen nicht gegen die Nachwuchswerbung nicht wehren könnten und dass die Risiken von Auslandseinsätzen gezielt außen vorgelassen würden. Das erinnert doch irgendwie dunkel an Organisationen wie die GST, die Gesellschaft für Sport und Technik (was für ein schöner Name!), die aber leider für das DDR-Regime aktiv war und wo Militär verherrlicht und das Kriegführen geübt wurde. Sowas sähen wohl manche gern wieder eingeführt, dann klappt es nämlich auch mit dem Soldatennachwuchs etwas besser (das weiß man spätestens seit 1933).

Aber nicht nur in Deutschland wird (schonmal übungshalber) geschossen: Auch in der demokratischen Schweiz (wo seit 1990 auch das Wahlrecht für Frauen besteht!), wird einmal jährlich die Jugend ans Gewehr gelassen: beim Knabenschiessen im schönen Zürich. Allerdings lassen sich die Schweizer nicht lumpen, denn hier wird nicht mit einem schnöden Luftgewehr geschossen, sondern mit dem schönen „Sturmgewehr 90“ (offiziell SG550). Schusskadenz: mindestens 600 Schuss pro Minute (gut zu wissen für spätere Amokläufe). Sarkasmus beiseite: Wer sich über Schusswaffengewalt in der Schweiz informieren will, kann das bei der GsoA (Gruppe für eine Schweiz ohne Armee) tun. Und die Verbreitung von „Sturmgewehren“ im Alltag wird weiter propagiert, wie die Pläne von Bundesrat Ueli Maurer (Schweizerische Volkspartei, SVP) für eine militärisch bewaffnete Hilfspolizei zeigen.

In den USA sieht die Situation nicht besser aus. Tragisch endet das Schießen mit Waffen, wenn keinerlei Kontrolle mehr gewährleistet ist. Dann fragt man sich: Müssen neunjährige Kinder mit Uzi-Maschinenpistolen schießen? Wo waren die Eltern mit ihren Gedanken, bevor ihr Kind damit auf dem Schießstand herumballert und seinen „Ausbilder“ tödlich verletzt? (Der Spiegel berichtete.) Wo fängt Waffenwahn der Eltern an?

Terorristen und Diktaturen wird vorgeworfen, Kinder an Waffen auszubilden und in den Kampf zu schicken. Aber die „demokratischen“ Staaten haben noch eine lange Diskussion vor sich, bis Waffengebrauch nicht mehr verharmlost oder gefördert wird. Die Bundeswehr ist hier also in schlechter Gesellschaft, denn Krieg ist eben kein Spiel.

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