Das Bayrische „Sicherheit durch Stärke“-Konzept

Das von der Bayrischen Landesregierung nach den Taten von Ansbach, Würzburg und München verabschiedete neue Sicherheitskonzept heißt „Sicherheit durch Stärke“. Die Bayerische Polizei soll dazu um insgesamt 2.000 Kräfte aufgestockt werden und soll neue, modernste Ausrüstung erhalten: besondere ballistische Helme, neuartige Schutzwesten und gepanzerte Fahrzeuge. Es sollen mehr Polizisten zum Kampf gegen Cyber-Kriminalität eingesetzt werden und mehr Möglichkeiten für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern geben. Darüber hinaus fordert die Staatsregierung eine Ausweitung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung.

Exkurs: Vorratsdatenspeicherung

In einem ersten Versuch eine Vorratsdatenspeicherung per EU-Richtlinie im dem Jahr 2006 einzuführen wurden alle EU-Mitgliedsstaaten verpflichtet, solche Vorratsdatenspeicherungen einzuführen. In Deutschland trat ein entsprechendes Gesetz 2008 in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erklärte die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung da die Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gegen Art. 10 Abs. 1 Grundgesetz verstoße mit Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und nichtig.[1]

Am 8. April 2014 erklärte auch der Europäische Gerichtshof die eingeführte EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig, da diese mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht vereinbar sei.[2]

Hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung ist auf rechtliche Ebene also festzustellen das die Versuche in der Vergangenheit eine Nationale oder Europäische Lösung in dieser Sache zu erreichen nicht von Erfolg gekrönt waren.

Aber neben den juristischen Bedenken wegen der Verstöße gegen nationales- europäischem und Menschenrechten, gibt es auch rein sachliche Gründe die gegen eine Vorratsdatenspeicherung sprechen.

Eine abschreckende Wirkung durch ein höheres Entdeckungsrisiko sei nicht nachweisbar und in Staaten wie beispielsweise Frankreich in denen eine Vorratsspeicherung erfolgt, nicht zu beobachten. Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat im Jahr 2007 im Rahmen einer Untersuchung festgestellt das „[…] selbst unter den heutigen rechtlichen Bedingungen nur […] etwa 2 % der Abfragen […] wegen Löschungen ins Leere gehen.“ [3]

Das BKA stellte 2005 fest das 381 Straftaten vor allem aus den Bereichen Internetbetrug, Austausch von Kinderpornografie und Diebstahl erfasst waren, welche in den vergangenen Jahren wegen fehlender Telekommunikationsdaten nicht aufgeklärt werden konnten. Diesen 381 Fällen stehen jedoch jährlich insgesamt 6,4 Millionen Straftaten gegenüber, von denen laut Polizeilicher Kriminalstatistik Jahr für Jahr 2,8 Millionen unaufgeklärt bleiben. das würde eine Steigerung der Aufklärungsquote von 55% auf bestenfalls 55,006% bedeuten. [4] Auch ohne die Vorratsdatenspeicherung werden in den Fällen von Verbreitung Pornografischer Schriften via Internet 78,5% der Fälle, bei Internetbetrug 86% der Fälle und bei Straftaten gegen die Urheberrechtsbestimmungen 85,5% der Fälle aufgeklärt [5]

Eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, die vom deutschen Justizministerium in Auftrag gegeben wurde, kam zu dem Ergebnis, dass Vorratsdatenspeicherung keine Veränderungen in Aufklärungsraten verursacht.[6]

Auch der Nutzen der gespeicherten Daten ist unverhältnismäßig gering. Die Speicherung von Verkehrsdaten ist vergangenheitsbezogen und kann daher praktisch nur der nachträglichen Aufklärung bereits begangener Straftaten dienen. Durch die Vorratsdatenspeicherung sind in der Vergangenheit keine Anschläge Vereitelt worden. weder die Anschläge am 11. September 2001 noch die Attentate in Großbritannien im Juli 2005 noch die geplanten Anschläge in deutschen Zügen 2006 sind durch die zu den zeiten Jeweils geltenden Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung in den betreffenden Ländern verhindert worden. Auch die Anschläge in Paris, Nizza und Rouen sind durch die Vorratsdatenspeicherung nicht verhindert worden.

Alles in allem kann festgestellt werden, dass sich die Vorratsdatenspeicherung nicht als Instrument eignet um dem Terrorismus in Europa wirksam zu begegnen.

Exkurs Bundeswehr im Inneren

Die rechtlichen Regelungen für einen Bundeswehreinsatz im Inneren sind im Grundgesetz dargelegt. „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“  lautet es in Art. 87a Absatz 2 GG. Diese Ausnahmen sind im Grundgesetz als Katastrophenhilfe gem. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 und dem Inneren Notstand gem. Art. 87 a IV GG benannt.

Die Flüchtlingshilfe der Bundeswehr erfolgt derzeit als Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG Amtshilfe stellt keinen Einsatz dar, sondern leistet nur technische Unterstützung wie Hilfestellungen, Versorgung oder Transport. Da hierbei keine hoheitlichen Tätigkeiten vorgenommen werden, ist diese Amtshilfe zulässig.

Aber beispielsweise Grenzsicherung, Verkehrskontrollen oder andere hoheitliche Aufgaben können angehörige der Bundeswehr nicht übernehmen. Dafür ist nach deutscher Rechtslage ausschließlich die Polizei des Bundes oder der Länder zuständig.

Die einzige Ausnahme wann die Bundeswehr z.B. zum Schutz ziviler Objekte eingesetzt werden darf ist wenn der Bestand der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar gefährdet ist. Solange dies durch die Taten wie in Würzburg, Ansbach oder München nicht der Fall ist, entfällt eine Grundlage zum Einsatz der Bundeswehr.

Ob im Rahmen eines Terroranschlags Katastrophenhilfe geleistet werden darf hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2012 geregelt. Diese Katastrophenhilfe kommt nur dann in Betracht wenn nach einem Unglücksfall die Polizei nicht mehr alleine dazu in der Lage ist Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen. Ein besonders schwerer Unglücksfall liege nur bei einer „ungewöhnlichen Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ vor, stellt das Gericht fest. Ob sich Amok- und Terrorattacken darunter sachlich gerechtfertigt subsumieren lassen, muss bezweifelt werden.

Exkurs Starker Staat und Terrorismus

Der Bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer erklärte am Samstagmorgen „Wir müssen alles dafür tun, um unsere Sicherheit zu verteidigen. Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit.“ – dieser Satz erinnert an Benjamin Franklins Mahnung „Wer wesentliche Freiheit aufgeben kann um eine geringfügige bloß jeweilige Sicherheit zu bewirken, verdient weder Freiheit, noch Sicherheit.“[7]

Auch die Annahme das ein starker Staat dazu in der Lage sei den Terrorismus zu Verhindern ist inhaltlich schwer zu halten. Die Terrorattacken von Nizza und Rouen haben in Frankreich in einem Land das bereits aufgrund der Attentate von Paris den Notstand verhängt hat stattgefunden. Auch Großbritannien ist kein „schwacher Staat“ und dennoch haben dort in aller öffentlichkeit Terrorattacken stattgefunden. In Belgien feierte sich der IS dafür ein ganzes Land durch Notstandsgesetze dergestalt  gelähmt zu haben dass das öffentlich leben fast gänzlich zum erliegen kam.

Fazit

Das neue Sicherheitskonzept der bayrischen Landesregierung erscheint unter diesen Umständen eher, als politisch motivierter Aktionismus als eine ausgewogene Reaktion.


[1] Az. 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08

[2] Az. C‑293/12 und C‑594/12

[3] Rechtswirklichkeit der Auskunftserteilung über Telekommunikationsverbindungsdaten nach §§ 100 g, 100h StPO

[4] Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 S. 63. 243

[5] Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 2006 S. 243

[6] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/ueberwachung-studie-stellt-sinn-von-vorratsdaten-in-frage-a-811675.html Abgerufen am 30.07.2016, 15:06 Uhr

[7] Dr. Benjamin Franklin’s nachgelassene Schriften und Correspondenz […], Band 3, Bejamin Franklin und Adolf Wagner, Weimar 1818

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