DAKS-Newsletter August 2017 ist erschienen!

Mitten im Sommerloch hat die Heckler & Koch eine Hauptversammlung abgehalten und damit jeder Langeweile vorgebeugt. Da die Aktien des Rüstungsunternehmens mittlerweile frei an der Börse gehandelt werden, war es auch Rüstungskritikern wie Jürgen Grässlin möglich, im Vorfeld der Veranstaltung Aktien zu kaufen und dementsprechend an der HV teilzunehmen. – Mehr dazu im neuen Newsletter!

Weitere Themen: Das BITS analysiert Munitionsexporte aus Deutschland, Bayern ist innerhalb Deutschlands Hauptexportregion für Waffen, Mexiko kommt nicht zur Ruhe. – Mehr dazu im neuen DAKS-Newsletter!

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Heckler & Koch: Hauptversammlungen

Am 15. August 2017 fand die erste Hauptversammlung der Heckler & Koch AG statt. Obwohl zu diesem Anlass keine Presse zugelassen ist, wurde die HV dennoch von der kritischen Öffentlichkeit begleitet, da eine neu gegründete Gruppe der Kritischen Aktionäre Anteile des Kleinwaffenherstellers erworben hat und deshalb auch an der Hauptversammlung teilnehmen konnte.

Die Auswertung der Hauptversammlung ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Klar ist aber schon jetzt: Die Hauptversammlung ist schon deshalb ein Erfolg, weil sie stattgefunden hat. Heckler & Koch ist ein Unternehmen, das in der Vergangenheit nur im äußersten Notfall an die Öffentlichkeit getreten ist – während es gleichzeitig für seine als skrupellos empfundene Geschäftspolitik in der öffentlichen Kritik stand und steht. Wenn jetzt eine Hauptversammlung stattfindet, in dessen Rahmen ein Geschäftsbericht vorgelegt und diskutiert wird, dann stellt dies eine Neuerung dar, die an Brisanz nicht zu überschätzen ist. Man darf gespannt sein, wie sich die Arbeit der Kritischen Aktionäre bei Heckler & Koch in den kommenden Jahren entwickeln wird. Ein Blick auf die bekannten Problemfelder zeigt, dass es viel Aufklärungsbedarf gibt.

Das RüstungsInformationsBüro (RIB e. V.) mit Sitz in Freiburg gibt erste Nachrichten über den Verlauf der Haupt­versammlung.

Heckler & Koch: Finanzsituation weiter unklar

Heckler & Koch platzierte am 15. Mai 2011 eine Unternehmensanleihe (WKN A1KQ5P) mit einem Volumen von 295 Millionen Euro. Die mit 9,5% verzinste Anleihe galt in den vergangenen Jahren als riskant, da der Verschuldungsgrad des Unternehmens hoch, die Zinslast drückend und die Geschäftsaussichten unklar erschienen.

Nun ist plötzlich alles anders: Heckler & Koch hat angekündigt, die Anleihe zum 24. August 2017 zu tilgen und damit rund 8 Monate vor Ende der Laufzeit eine Umschuldung vorzunehmen. Wie das Unternehmen plötzlich zu den Mitteln kam bzw. wer die im Hintergrund stehenden Geldgeber sind, ist unbekannt. Die Ratingagentur Moody’s teilt mit, dass die Anleihe bereits jetzt (Stand: Juli 2017) nur noch 220 Millionen Euro umfasst, da ein Teil von 75 Millionen Euro bereits zurückgezahlt worden sei.

Nun sei es Heckler & Koch gelungen, private Geldgeber zu finden, die dem Unternehmen einen Kredit über 130 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre, Zinssatz und Identität der Geldgeber sind unbekannt. Weitere 50 Millionen Euro wurden durch ein Gesellschafterdarlehen aufgebracht. Es scheint, als habe ein Eigentümer von Heckler & Koch beschlossen, das Unternehmen auf diese Weise zu unterstützen. Über die Identität dieses Eigentümers wie über die Konditionen kann nur spekuliert werden. Neben Andreas Heeschen, den die Welt als potentiellen Geldgeber nennt, scheint es auch möglich, dass ein nicht namentlich bekannter, neuer Investor hinter dieser Finanzspritze steht. Wie Moody’s erklärt, würden die verbleibenden 40 Millionen Euro der jetzt zu tilgenden Anleihe nämlich durch eine Privatplatzierung gegenfinanziert. Sprich, Heckler & Koch hat einen neuen Investor gefunden, der außerhalb der Börsenstrukturen in das Unternehmen eingestiegen ist und Anteile im Wert von 40 Millionen Euro erworben hat.

Es scheint nicht ausgeschlossen, dass es hinter den Kulissen zu weitreichenden Verschiebungen der Besitzverhältnisse von Heckler & Koch gekommen ist, die erst in der Zukunft öffentlich gemacht werden.

Rüstungsexporte aus Bayern

Der Freistaat im Süden ist nicht nur ein wichtiger Industriestandort in Deutschland, er ist auch Produktionsstandort zahlreicher großer Rüstungsunternehmen wie Airbus Helicopters Deutschland, Nexter, MBDA oder RUAG Ammotec. So betrachtet ist es kein Zufall, dass deutsche Rüstungsexporte eng mit der bayerischen Wirtschaft verbunden sind. Ende Juni 2017 hat die Bundestagsfraktion von Bündnis ’90/Die Grünen eine Kleine Anfrage (Drucksache 18/12740) an die Bundesregierung gestellt, in der sie um Auskunft über die Rolle der bayerischen Rüstungsindustrie im Gesamtzusammenhang der deutschen Rüstungsexporte bittet. Inzwischen liegt die Antwort (Drucksache 18/13166) vor, der einige bemerkenswerte Details zu entnehmen sind.

Demnach ist festzuhalten: Der Anteil, den die bayerische Rüstungsindustrie an den bundesdeutschen Gesamtexporten von Kriegswaffen trägt, ist substantiell. Und diese Aussage gilt, obwohl der konkrete Anteil starken jährlichen Schwankungen ausgesetzt ist.

Einzelgenehmigungen und Meldungen für Kriegswaffen nach dem Außenwirtschaftsgesetz

JahrGesamtwert Rüstungsexportbericht in Eurodavon Bayern in EuroProzentanteil
20141.410.160.832342.773.18424,3
20152.870.413.9132.097.995.27873,1
20161.881.624.741214.379.88911,4

Spitz formuliert könnte man diese Situation so zusammenfassen, dass die Anteile der bayerischen Rüstungsindustrie immer dann sehr hoch sind, wenn die norddeutsche Werftenindustrie gerade keine Exportanträge gestellt hat.

Interessant ist jedoch, dass die bayerische Rüstungsindustrie auch im Problemfeld Kleinwaffen mitverdient. Zwar gibt es keine großen in Bayern produzierenden Kleinwaffenhersteller, doch die Herstellung von Munition für Kleinwaffen scheint ein Geschäft, an dem die bayerische Industrie beteiligt ist. So wurden allein im Jahr 2016 von in Bayern produzierenden Unternehmen wie der RUAG Ammotec GmbH mit Sitz in Fürth rund 3,9 Millionen Stück Kleinwaffenmunition exportiert. Zu den Empfängern gehörten laut Auskunft der Bundesregierung Länder wie Brasilien, Brunei und der Oman.

Vielleicht wäre es an der Zeit, dass die bayerische Staatsregierung einen Konversions- und Opferfonds einrichtet?

BITS: Studien und Artikel zur Munitionsthematik

Das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) hat in letzter Zeit einige Texte und Analysen zu deutschen Munitionsfirmen und deren Exporten veröffentlicht. Neueste Publikation ist ein Artikel von Institutsleiter Otfried Nassauer, in dem darauf hingewiesen wird, dass von den von der Bundesregierung für das Jahr 2016 vergebenen Rüstungsexportgenehmigungen etwa ein Viertel allein die Munitionssparte betraf, ein enorm hoher Wert. Nassauer schreibt weiter, dass sich die Ausfuhr von Munition für Kleinwaffen im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht habe, wofür vor allem die Genehmigungen für Ausfuhren in die USA verantwortlich seien. Weitere Details finden sich in dem Text mit dem Titel „Munitionsexporte auf Allzeithoch“.

Der von der Evangelischen Kirche in Baden herausgegebene BITS-Report 17.02 trägt den Titel „Explosiv & Tödlich: Munitionsexporte in deutscher Verantwortung“ und wurde mit Mitteln von Brot für die Welt unterstützt. Otfried Nassauer stellt unter Mitarbeit von Christopher Steinmetz, Fabian Sieber und Kiflemariam Gebrewold auf anschauliche Weise grundlegende Informationen über „das Grundnahrungsmittel eines jeden Krieges“, Munition, vor und vertieft diese Darstellungen durch äußerst interessante Detailinformationen zur Munitionsexportproblematik. So werden auf einer Landkarte Deutschlands die hiesigen Munitionshersteller und ihre jeweiligen Produktionsschwerpunkte sowie die entsprechenden Firmenstandorte vorgestellt. Bedeutsam in dieser Branche sind in Deutschland vor allem die Firmen Rheinmetall, Diehl und MBDA, die neben Munition verschiedener Größen und Waffengattungen unter anderem Teile und Komponenten wie Zünder, Sprengstoffe, Flugkörper sowie (leider nicht immer) nicht-letale Munition entwickeln und herstellen – oder gleich ganze Anlagen zur Munitionsproduktion verkaufen. Ein anderes Kapitel der 16-seitigen Infoschrift befasst sich mit Kleinwaffenmunition und enthält neben den technischen und finanziellen Basisinformationen zu dieser Munitionsart den wichtigen Hinweis, dass der heimische Markt die Kapazitäten der Firmen nicht auslaste und daher Exporte immer ein zentraler Teil der Verkaufsstrategie seien. So würden etwa 30 Staaten Handfeuerwaffenmunition der Metallwerk Elisenhütte GmbH mit Sitz in Nassau verwenden, dieser Hersteller gehöre seit 2007 zur brasilianischen CBC-Gruppe. Auch die Bundeswehr wird als Munitionsexporteur genannt, dies geschehe vor allem bei Auslandseinsätzen und bei der Übergabe von Munition an Streitkräfte im Ausland (und auch bei der direkten Belieferung von Kriegsparteien wie beispielsweise den kurdischen Peschmerga). Auf diese Weise entledige sich die deutsche Armee ihrer Bestände und müsse die leeren Lager dann wieder auffüllen: So sei 2017 ein erster Auftrag für die Beschaffung von 25 Millionen Schuss (für das G36) ausgeschrieben worden. – Da klingeln die Kassen!

Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang natürlich noch die im Herbst 2016 von BITS publizierte, umfassende Studie „Hemmungslos in alle Welt – Die Munitionsexporte der Rheinmetall AG“. Die hierin versammelten Texte decken die weltweiten Munitionsexporte dieses Rüstungskonzerns auf. So seien Maschinen für die Munitionsproduktion an Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Staaten geliefert worden, auch mit Indonesien, Polen, Kasachstan und der Türkei gebe es Kooperationen. Die Methoden zur Umgehung von Exportkontrollen durch Verlagerung der Produktion werden beleuchtet. Diese Ausfuhren führen dazu, dass Rheinmetall-Munition in vielen Krisen- und Kriegsgebieten eingesetzt wird – und Menschen sterben. Otfried Nassauer sagte zur Veröffentlichung der 40-seitigen Studie: „Es sollte selbstverständlich sein, solche Exporte besonders restriktiv zu genehmigen. Munitionslieferungen in Spannungs- und Kriegsgebiete müssen grundsätzlich verboten werden, ebenso wie Lieferungen an Staaten, die Menschenrechte nicht einhalten.“ Bereits kurz nach Erscheinen der Studie wurde ein ergänzender Nachtragsartikel nötig, der die Überschrift „Hemmungslos und unersättlich – Rheinmetall und die Munitionsexporte“ hatte und am 4. November 2016 herauskam.

Weitere Artikel und Hintergrundanalysen zum Thema Munition finden sich auf der Internetseite von BITS, zum Beispiel der Artikel „In den Sand gesetzt – Rheinmetall International Engineering“ vom 5. Juni 2017.

Kalaschnikow: Kampf um Armeeausstattung und Marktanteile

Nach Jahren der finanziellen Schwierigkeiten und Konkurrenz mit westlichen Waffen versucht der neue Kalaschnikow-Konzern (mit einer Aktienmehrheit der staatlichen Rostec-Holding) nun, mit dem AK-12-Modell Kunden zu gewinnen. Im Juli dieses Jahres hat es mit einem Artikel bei Jane’s Defence Weekly geklappt (Autor: Remigiusz Wilk, Warschau), was der Waffe einige Aufmerksamkeit bringen wird, und dort wird verkündet, dass alle Tests mit dem neuen Modell abgeschlossen seien. Das „Sturmgewehr“ auf der Basis früherer AK-Modelle, vor allem des AK-74, ist – entsprechend den „neueren“ NATO-Waffen – weiterhin mit einem kleineren Kaliber ausgelegt, nämlich dem Kaliber 5,45 × 39 mm, was die Munitionsversorgung innerhalb der russischen Streitkräfte natürlich vereinfacht. Laut Wilk sieht die Herstellerfirma alle Anforderungen der russischen Armee erfüllt und die Waffe könnte im russischen „Ratnik (zu deutsch: Krieger) Future Soldier System“ als Standard-Schützenwaffe eingeführt werden – parallel sollen auch andere Kalaschnikow-Waffen, etwa das neue AK-15 im früheren größeren Kaliber 7,62 x 39 mm, verwendet werden. (Auch hier ist wieder eine Parallele sichtbar, weil auch bei westlichen Armeen weiterhin solche Kaliber eingesetzt werden, etwa beim G3 mit seinem Kaliber 7,62 × 51 mm NATO).

Nun stellt sich die Frage, wie attraktiv und wie gut finanzierbar diese neuen Waffenmodelle für die russische Armee sind. Immerhin verfügt Russland über sehr große Bestände an AK-74-Waffen. Daher könnten auch Projekte einer AK-74-Modernisierung am Ende die Oberhand gewinnen. Überdies muss nach den Möglichkeiten von Exporten gefragt werden (ironischerweise ist hier der zivile US-Waffenmarkt am bedeutendsten), denn dies könnte dem Konzern Profite bringen und auch einen Werbeeffekt erzeugen, falls andere Kunden das Gewehr in Konflikten einsetzen. Da die AK-12-Waffe mit einem modularen Konzept geplant zu sein scheint, ließen sich wohl auch Patronen mit NATO-Kaliber verwenden, wenn Teile wie Lauf und Verschlussgruppe ausgetauscht würden. Zudem gibt es erstmals im Westen bereits lange eingeführte Picatinny-Schienen, an denen Zusatzgeräte wie Lichtmodule und Anbaugranatwerfer befestigt werden können. So gesehen sollte es nicht schwierig sein, Käufer zu finden, noch dazu, weil die Firma auf den weltweit bekannten „guten“ Namen Kalaschnikow leider sicher bauen kann.

World Humanitarian Day: #NotATarget

Der diesjährige World Humanitarian Day (WHD) macht auf das Bombardieren von Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen und den Beschuss von medizinischem Personal und von PatientInnen aufmerksam. Wie jedes Jahr am 19. August wird auch in diesem Jahr der Fokus auf einen Bereich der humanitären Arbeit gerichtet, dieses Mal soll mit der Kampagne „NotATarget“ auf die Todesgefahr hingewiesen werden, der ÄrztInnen und Krankenhauspersonal ausgesetzt sind, weil in Kriegen und Konflikten immer mehr und öfter gezielt die medizinische Hilfe und Infrastruktur zerstört oder die Hilfsorganisationen aus dem Land vertrieben werden sollen – mit der Folge, dass es für die Menschen vor Ort dann gar keine ärztliche Versorgung und auch keinerlei Notfallmedizin mehr gibt.

Die „Ärzte ohne Grenzen“ berichten (mit Hilfe von Videos und Interviews), dass im Jahr 2015 Dutzende Spitäler zerstört wurden, in verschiedenen Konfliktländern wie Syrien, Jemen, Ukraine, Afghanistan und Sudan. Der Job als HilfsarbeiterIn hat sich stark gewandelt, weil diese Personen Teil der Kriegsstrategie geworden sind, wie der italienische Arzt Dr. Marco Baldan (u.a. Co-Autor von „War surgery: working with limited resources in armed conflicts and other situations of violence“ und ICRC Regional Surgeon for the Middle East) in der ARD erklärt: Die Gefahr für die Ärzte und Pfleger in Krisengebieten sei in den letzten Jahren ständig gewachsen, sagt er. Und: Sie seien heute direktes Kriegsziel geworden. (Autorin des Berichts ist Sybille Müller aus dem ARD-Studio Genf.)

Im Anschluss an den Bericht des UN-Generalsekretärs über den Schutz von Zivilisten in bewaffneten Konflikten will die Kampagne im Internet und bei Live-Events auf diesen entsetzlichen Missstand hinweisen und appelliert angesichts der traurigen Wahrscheinlichkeit, dass man weiterhin ÄrztInnen und PflegerInnen bombardieren und töten wird, an die Staatengemeinschaft, solche Kriegsaktionen nicht durchzuführen oder nicht zuzulassen. Dies bekräftigte die Kanadierin Prof. Dr. Joanne Liu, seit 2013 Internationale Präsidentin von „Médecins Sans Frontières“, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: „Angriffe auf Spitäler und Gesundheitspersonal dürfen niemals toleriert werden. Dies muss in sämtlichen militärischen Handbüchern und Regelwerken klar und unmissverständlich festgehalten werden.“ Liu forderte vier der fünf ständigen Mitglieder direkt auf, diese Angriffe zu stoppen.

Ein Mädchen aus Syrien fasst das Leid der Zivilbevölkerung zusammen: „Womit haben wir das verdient?“ (Minute 3:00)

Mexiko und die (Kleinwaffen-)Gewalt

In vielen Bereichen der mexikanischen Gesellschaft sind Gewalttaten – von staatlichen wie von kriminellen Organisationen – weiter sehr vorherrschend. Den Schusswaffen kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sehr viele von ihnen gelangen aus den USA hierher, darunter, wie in den Gerichtsprozessen gegen die deutsche Waffenfirma Heckler & Koch deutlich geworden, auch aus Deutschland – etwa das G36 für Polizeikräfte in Bundesstaaten, in denen systematisch die Menschenrechte verletzt werden, das heißt, in den Menschen erschossen werden. Die journalistische Arbeit zu dieser Problematik ist schwierig, aber sie findet statt. So berichtet zum Beispiel Klaus Ehringfeld für den Spiegel unter der Überschrift „Bedrohte Presse in Mexiko: ‚Wenn sie wollen, kriegen sie dich‘“ über die lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen von JournalistInnen in Mexiko. Mehr als 100 Reporter seien seit dem Jahr 2000 ermordet worden, so Ehringfeld. Er erzählt von Javier Valdez, der in Culiacán, der Hauptstadt von Sinaloa, einem Bundesstaat im Westen Mexikos, auf offener Straße aus seinem Auto geholt und erschossen wurde. Valdez war Journalist der Wochenzeitung „Ríodoce“. Seine RedaktionskollegInnen jedoch machen weiter, obwohl sie, so schreibt Ehringfeld, nie wissen, wem sie noch trauen können und ab wann ihre Arbeit zu gefährlich wird. Sinaloa ist bekannt für das Sinaloa-Kartell: Drogenhandel, Geldwäsche, Menschenhandel. Seit dem Mord an Javier Valdez schützen zwei Polizisten die Redaktionsräume, doch auch den Polizeibeamten gegenüber sind Zweifel mehr als angebracht, denn selbst der Bürgermeister der Stadt halte 50 Prozent seiner Polizisten für „nicht vertrauenswürdig“, so Ehringfeld. Und weiter heißt es im Text: „60 bis 70 Prozent der Wirtschaft, der Kirche, der Regierung und auch des Sports sind unterwandert.“ Heckler & Koch hat G36-Gewehre und unzählige andere Waffen nach Mexiko geliefert.

Zu Mexiko und dem Thema Gewalt berichtet auch Wolf-Dieter Vogel: Etwa über den mexikanischen Bildhauer Alfredo Lopez und sein Künstlerkollektiv, die mit einer ungewöhnlichen Ausstellung auf die Verschwundenen und den Kampf der Angehörigen aufmerksam machen. Wie Vogel schreibt, gilt seit 2007 die erschreckende Zahl von 32.000 Menschen als vermisst. Sie würden von Kriminellen verschleppt, andere seien verschwunden, als sie sich in der Gewalt der Polizei oder der Armee befunden hätten. Die Angehörigen suchen seitdem und suchen immer weiter. Die Ausstellung „Huellas de la Memoria – Spuren der Erinnerung“ war im Juli dieses Jahres in Berlin in der Galerie neurotitan im Haus Schwarzenberg (Rosenthaler Straße 39) zu sehen.

Und auch über die Tötungen von JournalistInnen schreibt Vogel: Der Artikel trägt den Titel „Keine Straffreiheit mehr“ und zeigt, wie die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ arbeitet und zum Beispiel eine „Jahresbilanz der Pressefreiheit 2016“ erstellt. Größtes Problem für Mexiko: Kaum einer der Täter wird jemals von einem Gericht verurteilt, es herrscht Straflosigkeit. Die Justiz funktioniert also nicht, wohl aber Überwachungssoftware, mit denen die Regierungsbehörden (in wessen Auftrag?) „systematisch Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Antikorruptionsaktivisten“ ausspähen, wie Vogel in dem Artikel „Überwachung per Smartphone“ berichtet.

Aber auch über deutsche Waffenlieferungen in den Nahen Osten und die Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi informiert Vogel. Dabei geht es dann auch darum, dass sich Sigmar Gabriels „Versuch“, die Lieferung von G36-Ersatzteilen nach Saudi-Arabien zu verhindern, dadurch erledigt habe, dass, so Vogel, General Abudallatif al Shehri, Verkaufsleiter der saudischen Waffenfirma MIC, erläutert habe: „Einige dieser Teile stellen wir einfach in einer eigenen Werkzeugfirma her. Wir produzieren eine limitierte Menge, um einige Verträge zu erfüllen und die Armee zufriedenzustellen.“ – Reinlesen lohnt sich also.

Panorama berichtet über Neonazis beim „Kommando Spezialkräfte“

Ein Kommentar von André Maertens

Es ist jetzt natürlich ein Leichtes, nach den neuerdings bekannt gewordenen Skandalen bei der Bundeswehr zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass die deutsche Armee ein Neonazi-Problem hat und dass grundlegende Veränderungen nötig sind. Der Panorama-Bericht von Jochen Grabler, Dennis Leiffels und Johannes Jolmes macht dies allzu deutlich. Und doch ist diese Schlussfolgerung gerade das Schwierige, denn sie ist eben kein Klischee und keine Vorverurteilung von all den angeblich mit guter Absicht „dienenden“ SoldatInnen, sondern die Wahrheit. Diese lässt sich vielen BürgerInnen zwar mitteilen, verstehen wollen sie diese Tatsache sehr wahrscheinlich aber nicht, ist doch die Bundeswehr zu selbstverständlich geworden. Aber: Die Armee von heute ist nicht mehr die gleiche, die man vielleicht noch als sinnvoll ansah, solange der „Kalte Krieg“ als Realität galt. „Unsere“ Armee rückt definitiv und unaufhaltsam nach rechts. Und: Widerstand gegen Faschismus ist spätestens nach 1945 erste BürgerInnenpflicht, Ausreden gibt es keine.

Weil die soldatische Kultur innerhalb der Bundeswehr und die politische Landschaft (vor allem in den „Volks“-Parteien SPD und CDU) am Wunschbild des guten Soldaten festhalten, ist die Möglichkeit einer tatsächlich überfälligen Veränderung eben so derart gering. Niemand möchte sich an dieses Thema wagen, zu schwierig scheint es. Zudem hängen zu viele Bundestagsabgeordnete dem Traum vom weltpolitisch (wieder) wichtigen Deutschland an und können die Bundeswehr daher gar nicht substantiell kritisieren, reformieren oder gar auflösen. Und wir hören wir von den zurzeit verantwortlichen PolitikerInnen auch keinen wirklich nötigen Aufschrei – und damit ist nicht nur die momentane Amtschefin von der Leyen gemeint (sie ist mit einem weiteren „Workshop“, der die Wehrmachtskontinuitäten verschleiern helfen wird, aktuell jedoch besonders schuldig), sondern im Grunde alle Regierungskoalitionen der vergangenen Jahre. Seit das KSK als verfassungsfeindliche, weil undemokratische Organisation von den Parteien und der Bevölkerung geduldet wurde, gab es genug inakzeptable Vorfälle, die zur Auflösung dieser Einheit und zur strafrechtlichen Belangung der gesetzlich Verantwortlichen hätte führen müssen, doch nichts ist geschehen. Unliebsame (vielleicht weil zu „ehrlich“ die Gesinnung der anderen KSK-Soldaten aufdeckende?) Kommandeure wie der Neonazi Reinhard Günzel werden einfach entlassen, vom KSK durchgeführte Folterungen und Tötungen werden verheimlicht und es ist noch nicht abzusehen und erst recht nicht zu kontrollieren, wie das KSK intern funktioniert und auf welche Weise diese „Krieger“ (und ihre Kollegen anderer „Spezialeinheiten“) in naher Zukunft eingesetzt werden. Wenn man nun noch bedenkt, dass es sich hier um eine Gruppe von Männern handelt, die erstens mit Waffen (auch von Heckler & Koch) ausgebildet sind und diese auch in Reichweite haben und zweitens zu einem – wie nun mehr als wahrscheinlich ist – großen Teil neonazistisches Denken akzeptieren können oder selbst so denken (und handeln?), dann stellt dies nicht, wie es Bundeswehr-Lobbyist Reinhold Robbe formuliert, ein „ganz großes Problem“ dar – nein, dies ist eine konkrete Gefahr für die Gesellschaft, zum einen für die in Deutschland lebenden Menschen, zum anderen noch mehr für diejenigen Menschen, die vom KSK bei seinen Kriegs-Einsätzen bedroht und verletzt oder sogar getötet werden könnten.

Solange dies von Bundeswehr und Regierung schöngeredet wird, hat auch der jetzige Skandal keine Konsequenzen. Er reiht sich in ein in die lange Reihe der „Einzelfälle“, die juristisch bearbeitet werden sollen, und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit schlimmerer Entwicklungen. Bleibt nur, dem Fazit von Alexander Kleiß von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) zuzustimmen, der ganz klar und ganz richtig fordert: „KSK auflösen!“

Ebenfalls lesenswert ist der von IMI-Vorstand Jürgen Wagner verfasste Text „„Nach vorn!“ – „einsatzbereit – jederzeit – weltweit“! Deutsche Spezialkräfte im Umbruch“, der über die militärische Aufwertung und brandgefährliche Ideologie dieser Soldaten aufklärt. Und hier wird dann auch wieder die Nähe zur Kleinwaffen-Thematik und zur vor allem schwäbischen Schusswaffenindustrie mehr als deutlich. Man kennt sich …

Auch der Bayerische Rundfunk berichtet: Unter der Überschrift „Soldaten – verzweifelt gesucht! Nachwuchsprobleme bei der Bundeswehr“ zeigen Arndt Wittenberg (Autor) und Johanna Walter (Redaktion) die immensen Probleme dieser Armee auf, die auch noch von einer geplanten Aufstockung vergrößert werden. Diese Sendung weist dankenswerterweise noch einmal deutlich darauf hin, dass die deutsche Regierung ihre eigenen Richtlinien und guten Vorsätze als Farce entlarvt, weil erwiesenermaßen Minderjährige rekrutiert werden (und damit in den Einflussbereich von Neonazis geraten!). Im einleitenden Text des Berichts heißt es: „Anfang des Jahres wurde die Bundeswehr von einer Reihe von Skandalen erschüttert. Geschichten von entwürdigenden Aufnahmeritualen, sexuellen Übergriffen und rechtsextremen Vorfällen. Seitdem stellt sich Frage: Was läuft schief in Deutschlands Berufsarmee?“ Später im Beitrag wird festgestellt: „Ein Rechtsruck der Bundeswehr kann nicht mehr geleugnet werden. Aufklärungskampagnen sind deswegen bereits angesetzt worden. Und auch der MAD hat nun mehr Kompetenzen bekommen.“ – Das aber löst das Problem nicht, sondern soll nur beruhigend wirken. Der brisante Kern der heutigen Armeeproblematik in Deutschland, also unter anderem institutionalisierter Nationalismus, konkreter Fremdenhass und Gewaltbereitschaft, bleiben unberührt. Eine Zeitbombe.

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