DAKS-Newsletter Februar 2013 ist erschienen!

2013 werden Wahlen stattfinden. So viel ist klar. Die Frage ist nur, welcher Partei die Stimme zu geben ist. Aus Ratlosigkeit ob dieser Herausforderung haben wir, bzw. André Maertens, eine Art Brainstorming veranstaltet und zusammengetragen was die einzelnen Parteien jeweils zum Thema Rüstungsexport zu sagen haben. Möge es dem ein oder Anderen bei der Entscheidungsfindung helfen.

Außerdem haben wir in diesem Monat versucht über den Tellerrand hinauszuschauen. Und das gleich zweimal. Deshalb gibt es im neuen DAKS-Newsletter ein Interview mit den Redakteuren von der Konkurrenz, dem „Waffenexport-Telegramm“ und Lektüreerfahrungen die beim Studium einer kürzlich erschienenen WifOR-Studie gemacht wurden. Das Thema: die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie.

Außerdem im neuen Newsletter: ein Hintergrund-Bericht über ein geplantes Rüstungsexport-Geschäft, das bis kurzem in der Schweizer Öffentlichkeit heftig diskutiert wurde. Die Firma KRISS Systems SA wollte Kleinwaffen nach Saudi-Arabien exportieren. Die zuständigen schweizer Behörden haben den Exportantrag zwischenzeitlich abgelehnt – ist damit aber wirklich schon alles gut? Mehr im neuen Newsletter. Zum Weiterempfehlen: Wenn Sie den Kleinwaffen-Newsletter abonnieren wollen
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DAKS-Newsletter Februar 2013

Parteien im Wahlkampf: Thema Rüstungsexport

Laut einem Bericht des SPIEGEL hat der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sich im Falles eines Wahlsieges für die Verringerung von Rüstungslieferungen ausgesprochen. In einem Interview für die Passauer Neue Presse hat er es als „Skandal“ bezeichnet, dass Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur geworden sei. Ähnlich berichtete n-tv. Steinbrücks Partei fordert derzeit die Gründung eines Bundestagsgremiums zur Kontrolle von Rüstungsexporten. So könne eine Einbindung des Parlaments erreicht werden, sagte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold.

Während Bundeskanzlerin und Verteidigungsminister Rüstungsexporte als Mittel der Außenpolitik bezeichnen, schlägt der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter (Obmann der Unionsfraktion für Abrüstung und Rüstungskontrolle) vor, „einem speziellen Ausschuss des Bundestags bei Rüstungsexporten ein Vetorecht gegen Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu ermöglichen“. Der Berliner „Tagesspiegel“ berichtete weiter, dass Kiesewetter sich auch für „eine Art Vertrauensgremium des Bundestages“ aussprach, das vor den Bundessicherheitsratsbeschlüssen zu Rüstungsausfuhren informiert werden solle. Seine Begründung: Wenn die Koalitionsfraktionen für die Entscheidungen der Regierung argumentieren könnten, würde das die Regierungspolitik stärken. Auch der taz war dieses Ereignis eine Meldung wert.

Bündnis 90/Die Grünen stellen andere Forderungen: Ein Beschluss der Bundestagsfraktion vom 28. Dezember 2012 sieht es als dringend notwendig an, die Menschenrechte und den Frieden zu sichern – dies soll mit einem Rüstungsexportgesetz möglich werden. Die Selbstbindung der Regierung über Grundsätze funktioniere offensichtlich nicht, so heißt es in dem Text. Diese „Politischen Grundsätze“ wurden von der Partei als Juniorpartner im Jahr 2000 mitbeschlossen. Nun fordern die Bündnisgrünen u. a. eine Unterrichtung des Bundestages bei „besonders sensiblen Exporten“, eine gesetzliche Verankerung von Entscheidungskriterien für Exporte und eine Verlagerung der Federführung ins Auswärtige Amt.

Zur FDP: MdB Elke Hoff stellt sich ein Modell vor, in dem der Bundestag mindestens zeitgleich über Beschlüsse zum Waffenexport informiert wird, aber nicht mitbestimmen kann. Die Regierung müsse – nach dem Vorbild des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste – einem geheim tagenden Ausschuss Auskunft über ihre Einschätzungen und Entscheidungsgründe zu Exportanträgen geben, so berichtet der Tagesspiegel über Hoffs Ansichten.

Und die Linke? Sie ist die einzige Partei, die sich noch nie als Teil einer Bundesregierung Rüstungsexportfragen stellen musste und auch keine eigenen Exporte in der Vergangenheit aufarbeiten muss. Die Beschränkung des Rüstungsexports ist hier schon lange ein Thema, für das heftig gestritten wird. Aktuelle Beispiele:

Aus Anlass der Verleihung des Friedensnobelpreises an die Europäische Union forderte die Bundesvorsitzende Katja Kipping ein EU-weites Verbot von Waffenexporten. Sieben der zehn weltweiten Top-Waffenexportländer seien Mitgliedstaaten der EU, so Kipping.

MdB Jan van Aken sieht es als unumgänglich an, dass ein Gesetz erlassen wird, das Exporte generell verbietet. Zu oft würden „Fragen wie Menschenrechte oder militärische Spannungen“ gegen außen- und sicherheitspolitische Interessen abgewogen und dabei übergangen.

Die LINKE hat außerdem einen Rüstungsatlas ins Netz gestellt und informiert mit einem Waffenexport-Telegramm regelmäßig über deutsche und europäische Rüstungslieferungen (Internetseite: www.waffenexport.org) – siehe unten stehendes Interview.

Natürlich muss immer beachtet werden, was die Parteien und ihre VertreterInnen jeweils als „Rüstungsexport“ ansehen: So wird oft zwischen den Dual-Use-Gütern und „richtigen“ Kriegswaffen unterschieden. Auch Sammelgenehmigungen, Rüstungskooperationen und Exporte in befreundete Nationen bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit. Und: Oft sind es die unscheinbaren Kleinwaffen, die gegenüber Waffentypen wie Atom-U-Booten ungefährlich erscheinen und daher als unproblematisch eingestuft werden. Aber: Weiterhin werden die meisten Menschen, die in Kriegen durch Waffen getötet werden, mit Kleinwaffen getötet – eben auch aus deutscher Produktion oder Entwicklung. Man denke nur an die gewaltsame Niederschlagung von Protesten in Bahrain durch saudische Truppen!

Weitere Infos zum Thema Parteien und Rüstungsexport – und auch zur Piratenpartei (die hier nur aus redaktionellen Gründen ausgelassen wurde) –, finden sich auf der Internetseite der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“.

WifOR-Studie über die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie erschienen

Das WifOR hat eine Studie erarbeitet. Als solches ist dieser Umstand wenig bemerkenswert, ist es doch die genuine Aufgabe des unabhängigen Instituts „Wirtschaftsforschung“ Studien zu erarbeiten und – getreu seinem Slogan „Wir transformieren Daten in Verständnis“ – auf diese Weise dazu beizutragen wirtschaftliche Prozesse darzustellen und zu analysieren. Im konkreten Fall ist das Erscheinen der Untersuchung jedoch sehr wohl etwas Besonderes, handelt es sich doch um den Ergebnisbericht eines vom Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. (BDSV) in Auftrag gegebenen Projekts zur „Quantifizierung der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für den deutschen Wirtschaftsstandort“.

Eine vergleichbare Untersuchung gab es bisher nicht. Das im Rahmen des Projekts ermittelte Datenmaterial ist damit neu und vermittelt einen einzigartigen Blick auf die Situation der deutschen Rüstungsindustrie. Und mehr noch: die Studie ist eine Auftragsarbeit und kann diesen Umstand in keiner Weise verbergen. Sie demonstriert und dokumentiert damit in einzigartiger Weise die Probleme und Herausforderungen in denen eine rein drittmittelfinanzierte und damit nicht unabhängige „Forschung“ steht.

Beim Erstkontakt mit der Studie ist es vor allem dieser letzte Punkt der ins Auge fällt. Beispielhaft sind die ersten Sätze des 1.Kapitels, geschrieben als eine „Hinführung zum Thema“: Wird anfangs allgemein eingeräumt, dass Sicherheit ein „evaluativer Begriff“ ist – ein Konzept also, dass sich nicht definieren lässt, weil es einen “wertenden“ Kampfbegriff darstellt, der vielleicht instrumentalisiert, aber niemals erreicht werden kann – wird diese Erkenntnis schon im zweiten Satz umgehend neutralisiert. – In den Worten der Studie: „Von den Vereinten Nationen als unveräußerliches Menschenrecht gedeutet, repräsentiert Sicherheit einen Wert, dessen Verwirklichung […] als erstrebenswert gilt.“ (vgl. S.14)

Schon an diesem Punkt ist es nicht mehr möglich zu fragen, von wessen Sicherheit ausgegangen und gesprochen werden soll, bzw. wie die berechtigten Sicherheitsbedürfnisse verschiedener Menschen miteinander in Einklang gebracht werden können. Sicherheit ist plötzlich kein „evaluativer Begriff“ mehr, sondern etwas, das durch die Vereinten Nationen garantiert wird. Sie ist ein Menschenrecht, wer „unsere“ Sicherheit also verletzt, stellt sich außerhalb der Rechtsordnung der UN und muss gestoppt werden. Zu unserer eigenen Sicherheit und derjenigen aller Menschen. Die Möglichkeit das Sicherheits-Paradigma zu problematisieren nehmen sich die Autoren der Studie endgültig, wenn sie in den nächsten Sätzen eine klar positive – und damit eindimensionale – Definition von Sicherheit vorlegen. So wird festgestellt, Sicherheit mache „in zahlreichen Bereichen des menschlichen Lebens und Wirtschaftens […] einen nahezu konstitutiven Bestandteil aus“. (vgl. S.14) Soll heißen: ohne Sicherheit geht nichts. Aber mehr noch, nicht nur, dass Sicherheit eine Grundbedingung sei, Sicherheit sei im übrigen auch „eine genuine Staatsaufgabe“ (vgl. S.14) und „folgerichtig ein zentraler Gegenstand politischen Gestaltungswillens.“ (vgl. S.14)

An diesem Punkt erübrigt sich jede weitere Diskussion, denn wer wollte schon „politischen Gestaltungswillen“ kritisieren?

Binnen einer Viertelseite hat sich „Sicherheit“ so von einem umstrittenen Konzept in eine Schlüsselkategorie verwandelt, an der kein Weg vorbei führt. Mit einem wissenschaftlichen Diskurs hat eine solche Argumentation wenig zu tun, da sie sich Mittel bedient, die sie gegen Kritik immunisieren soll. Ziel dieser „Hinführung zum Thema“ ist damit offensichtlich kein wie auch immer gearteter Dialog, sondern das Klären von Position die nicht hinterfragt werden sollen.

Das nichts mit Forschung zu tun, sondern mit der Anwendung sprachlicher Taschenspieler-Tricks. Tricks im strengen Sinn, die sich auch darin ausdrücken, dass sehr viel von „Sicherheit“, aber sehr wenig von „Verteidigung“ gesprochen wird. Obwohl doch der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung just die „Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (also: „Defense Industries“) ist. Der Grund ist klar: das Wortfeld „Verteidigung“ lässt sich wesentlich schwerer einer rein positiven Ausdeutung unterziehen.

Bedauerlich an dieser Herangehensweise ist der Umstand, dass sie sich gleichzeitig auch vorhandener Chancen selbst beraubt. Um zum Thema hinzuführen könnte man Sicherheit – und damit verbunden die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie – auch als Teilbereich eines wesentlich weiter gefassten Friedens-Paradigmas auffassen und ausdeuten. Die völlig einseitige Konzentration auf das Sicherheits-Paradigma macht eine solche Herangehensweise jedoch unmöglich.

Bleibt die Frage, ob die WifOR-Studie ihr selbst gestecktes Ziel erreicht, die volkswirtschaftliche Bedeutung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu vermessen. (vgl. S.16) Eine Antwort auf diese einfache Frage zu formulieren, ist gleichwohl überraschend schwer. Ja, es stimmt, die Analyse erwirbt sich Verdienste darum, das Feld der Rüstungsindustrie zu vermessen. Sie erwirbt sich diese Verdienste, einfach deshalb weil bisher keine verlässlichen und umfassenden Daten über die Rüstungsindustrie in Deutschland erhoben und ausgewertet worden sind. Die auf den Seiten 20 bis 23 aufgelistete Referenz-Literatur macht vor allem deutlich, dass es bisher nur Ideenpapiere politisch- und wirtschaftlich interessierter Kreise gibt, in welche Richtung sich die deutsche und europäische Rüstungsindustrie mittel- bis langfristig entwickeln soll. Darstellungen, die sich um eine mehr oder weniger neutrale Beschreibung des Ist-Zustands auch nur bemühen, sind dort dagegen nicht zu finden. Jedoch, nur weil es sich um die erste „wirtschaftswissenschaftliche“ Analyse der Rüstungsindustrie handelt, heißt das noch nicht, dass es sich auch um eine gute Studie handelt. Ein offensichtliches Problem ist z.B. der gewählte Fokus, der allein die Situation in Deutschland in den Blick nimmt. Die Notwendigkeit einer solchen Selbstbeschränkung steht außer Frage, da etwa eine europaweite Vergleichbarkeit der in den je nationalen Volkswirtschaften erhobenen Daten nicht per se gegeben ist. Dies tut dem Umstand, dass eine solche notwendige Selbstbeschränkung den Blick verzerrt jedoch keinen Abbruch. Zur Erinnerung, die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Rüstungsindustrie eine durchschnittliche Exportquote von 44% erzielte und damit über der durchschnittlichen Exportquote von 38% des gesamten verarbeitenden Gewerbes lag. (vgl. S.40) Es ist alles andere als ein Geheimnis, dass ein Gutteil dieser Exporte in europäische Nachbarstaaten geliefert wurde, wo diese weiterverarbeitet wurden. Das bei weitem bekannteste Beispiel für diese Praxis ist EADS, ein Unternehmen, das in verschiedenen EU-Staaten produzieren lässt und dabei jeweils auf die Zulieferung von Waffenkomponenten aus anderen EU-Ländern angewiesen ist. Die WifOR-Studie dokumentiert diese Abhängigkeit indem sie feststellt, dass im Jahr 2011 in Deutschland zwar Rüstungsgüter im Wert von 22,633 Milliarden Euro produziert wurden, die Endproduzenten diese Waren jedoch nur herstellen konnten, weil sie zuvor Teile im Wert von 14,307 Milliarden Euro zukauften. Dies entspricht einer sogenannten Vorleistungsquote von 63,2%. (vgl. S.38) Das in der Studie gezogene Fazit ist einleuchtend und eindeutig: die Arbeitsteilung in der Rüstungsindustrie ist ausgeprägt. Und: die euroäische Dimension der Zulieferung ist auch für Deutschland nicht unerheblich, denn im Jahr 2011 wurden durch die deutsche Rüstungsindustrie Importe im Wert von 5,687 Milliarden Euro getätigt. Das entspricht einer Importquote von 25,1% am Gesamtproduktionswert, bzw. einer Importquote von 39,8% gemessen an den arbeitsteilig hergestellten Komponenten.

Unter diesen Umständen ist die Selbstbeschränkung der Autoren der Studie auf die rein nationale volkswirtschaftliche Bedeutung der Rüstungsindustrie zwar nachvollziehbar, aber gleichwohl bedauerlich. Insbesondere da unter dieser Beschränkung naturgemäß auch die Relevanz jener Daten zu leiden scheint, die hinsichtlich der indirekten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Rüstungsindustrie erhoben wurden. (vgl. S.46ff.)

Wirklich erhellend sind damit nur die Daten die etwa hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen im Kernbereich der deutschen Rüstungsindustrie gegeben werden. 2011 sind demnach 97.980 Arbeitnehmer direkt in der Rüstungsindustrie beschäftigt gewesen. Das die Rüstungsbranche in Deutschland kein Auslaufmodell zu sein scheint, wird durch den Umstand dokumentiert, dass die Erwerbstätigen-Zahlen zwischen 2005 und 2011 um 27,4% gestiegen sein sollen. Im Vergleich dazu sind die Erwerbstätigen-Zahlen im übrigen Verarbeitenden Gewerbe im gleichen Zeitraum um 0,1% gesunken. Und: jeder einzelne Arbeitnehmer der Rüstungsindustrie habe in den Jahren 2005 bis 2011 eine Arbeitsproduktivität von 82.122 Euro erwirtschaftet. Arbeitnehmer im übrigen Verarbeitenden Gewerbe haben stattdessen nur 64.872 Euro je Arbeitnehmer erwirtschaftet. (vgl. S.41)

Ja. Das ist in einer gewissen Weise beeindruckend. – Auch wenn man die Fragen stellen kann, ob das eine positive Entwicklung darstellt.

Die WifOR-Studie selbst versucht Antworten zu formulieren, welche Konsequenzen aus der analysierten Situation gezogen werden sollten. Sinnvoll sind diese Handlungsvorschläge (vgl. Kapitel 5 / S.65ff.) jedoch nicht, da sie völlig unkritisch davon ausgehen, das Wachstum im Bereich der Rüstungsindustrie notwendig, sinnvoll und erstrebenswert ist. Die Möglichkeit von Wachstumsgrenzen wird in diesem Zusammenhang eben so wenig angedacht, wie die weiterführende Frage, ob die Produktion von noch mehr Waffen überhaupt zu mehr Sicherheit (geschweige denn Frieden) beiträgt. Andererseits – bei einer Auftragsarbeit wie dieser und aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Einleitungskapitel, wäre eine solch progressive Perspektive auch mehr als überraschend gewesen.

Im Ergebnis lohnt eine Lektüre der vorgelegten WifOR-Studie vor allem deshalb, weil durch sie zwei Fragen genährt werden: 1.) Welche Konsequenz soll daraus gezogen werden, dass Rüstungsproduktion offensichtlich ein höchst lukratives Geschäft zu sein scheint? Oder anders ausgedrückt: ist die Forderung wie sie in Teilen der Friedensbewegung nach einer Konversion der Rüstungsindustrie hin zu einer zivilen Produktion wirklich erfolgversprechend, da militärische Produktion doch offensichtlich lukrativer als zivile Produktion zu sein scheint? Oder anders gefragt: Wie müssten die politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert werden, damit sich Rüstung nicht mehr lohnt und Konversion möglich wird? 2.) Wie soll mit drittmittelfinanzierter Auftragsforschung umgegangen werden?

Per Telegramm gegen Rüstungsexporte

Interview mit dem Team von MdB Jan van Aken, der auch die Seite www.waffenexporte.org betreibt.

Im Juni 2011 erschien das erste „Waffenexport-Telegramm“, mittlerweile ist bereits die 17. Ausgabe erreicht. Kerstin Seifer und Alexander Lurz, beide MitarbeiterInnen von MdB Jan van Aken (DIE LINKE), sind für die Telegramme zuständig. Wir haben sie zu diesem Projekt interviewt.

Wie kam es zu der Idee, ein „Telegramm“ zum Thema Rüstungsexport zu machen?

Alexander Lurz: Die Idee zum Telegramm entstand gemeinsam mit der Idee, die Internetseite waffenexporte.org einzurichten. Ziel dabei war es, einer breiteren Öffentlichkeit, Informationen und – bei der Seite – Dokumente zusammenzustellen, die ansonsten keine weite Verbreitung finden. Viele wichtige Informationen über Waffenexporte finden keinen Niederschlag in der Tagespresse. Dies gilt auch für die Arbeit des Bundestags zum Thema. Daher sahen wir in dem Telegramm die Möglichkeit, Interessierte darüber zu informieren.

Wen erreicht dieses Format und wie ist das Feedback?

Kerstin Seifer: Unser Telegramm lesen VertreterInnen von NGOs, Journalisten, Aktive aus der Friedensbewegung und Leute, die sich einfach so für das Thema interessieren. Die Zahl und die Neuanmeldungen zeigen, dass viele unser Telegramm als informativ schätzen. Das Telegramm kann einfach über eine email an telegramm@waffenexporte.org abonniert werden. Einen weiteren Austausch mit den LeserInnen gibt es nicht, und können wir auch nicht leisten.

Wie sehen Sie die Möglichkeit, sich über Rüstungsexporte kritisch und investigativ zu informieren? Welche Quellen können Sie nutzen?

Kerstin Seifer: Zum Glück gibt es ja eine Reihe von rüstungskritischen Initiativen, die auch diverse Informationsformate betreiben. So besteht für Interessierte die Möglichkeit, sich kritisch in die Debatte um Rüstungsexporte einzumischen. Allerdings ist von allen Seiten sehr viel Kleinarbeit notwendig, um den aktuellen Waffengeschäften auf die Spur zu kommen. Wir im Bundestag sind natürlich in der glücklichen Lage, hier auf ziemlich viele Ressourcen zugreifen zu können – so haben wir Zugriff auf einige teure Magazine wie Jane’s Defense, aus denen wir auch immer wieder gute Informationen bekommen. Glück gehört natürlich auch dazu. Denn die Bundesregierung tut alles dafür, Waffengeschäfte möglichst lange geheim zu halten. Die Öffentlichkeit und das Parlament werden sehr lückenhaft und mit langer Verzögerung über Rüstungsexporte informiert. Es können bis zu zwei Jahren vergehen, bis Informationen über Genehmigungen für Rüstungsexporte an die Öffentlichkeit gelangen. Wir nutzen z. B. das Mittel der „Kleinen Anfragen“, um bestimmte Bereiche systematisch abzuklopfen. Allerdings ist die Auskunftsfreude von BAFA & Co oft sehr begrenzt. Nicht selten wird eine Antwort umgangen, indem irgendein Passus aus den Politischen Grundsätzen zitiert wird, nach dem wir selbstverständlich nicht gefragt haben. Die Beschwerden von ParlamentarierInnen darüber haben leider keine Auswirkungen. Aber der Ärger über die Intransparenz ist auch weiterer Antrieb für unsere Arbeit.

Wie wäre Ihrer Meinung nach der Rüstungsexport in Deutschland am besten geregelt: mit politischen Richtlinien oder einem Verbot im Grundgesetz plus konkretem Bundesgesetz?

Kerstin Seifer: Wir fordern, dass alle Waffenexporte gesetzlich verboten werden. Nur klare, gesetzlich verankerte Verbote werden etwas verändern. Alle Versuche von Rot-Grün Ende der 1990er Jahre, mit mehr Transparenz und politischen Richtlinien hier etwas zu verändern, sind gescheitert. Ob das im Grundgesetz oder anderswo verankert ist, ist nicht so entscheidend – Hauptsache verboten.

Welche Entwicklung erwarten Sie für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl, was den Rüstungsexport betrifft?

Alexander Lurz: Alle Parteien, die sich nun für das Regierungsamt bewerben, haben Rüstungsexporte in der Vergangenheit gefördert. Unter keiner Regierung gab es irgendwelche substantiellen Einschränkungen für den Waffenhandel. Nicht umsonst ist Deutschland heute der drittgrößte Waffenexporteur der Welt – so einen Rang erarbeitet man sich nicht über Nacht. Aktuell fordern Grüne, SPD, CDU und sogar die FDP mehr Transparenz bei den Waffenexporten. Aber Transparenz allein reicht nicht. Mit der Einführung des Rüstungsexportberichts 1999 wurden Rüstungsexporte transparenter als je zuvor. Und trotzdem stiegen die Exporte. Sofern im Bundestagswahlkampf nicht zumindest über Teilverbote debattiert wird und die Parteien sich nicht auf solche verpflichten, wird sich nach der Wahl nicht viel ändern.

Wie schätzen Sie die Wirkung eines zukünftigen „Arms Trade Treaty“ (ATT) auf die deutsche Rüstungsexportpraxis ein?

Alexander Lurz: Gerade diese Bundesregierung hätte sich wohl kaum für den ATT eingesetzt, wenn die deutschen Rüstungsexporteure da etwas zu befürchten hätten.

Vielen Dank für das Interview!

Ende gut, alles gut? – Ein Schweizer Waffenexport nach Saudi-Arabien vor dem Aus

Wie die Schweizer Handelszeitung Mitte Januar berichtete, plante die Schweizer Firma Kriss Arms, Waffenteile im Wert von 45 Millionen SFr (etwa 36 Millionen Euro) in die USA und von dort nach Saudi-Arabien zu exportieren. Ende Januar dann wurde bekannt, dass der Schweizer Bundesrat den enstsprechenden Exportantrag mit einem Volumen von 436 000 SFr (rund 350 000 Euro) unter Hinweis auf die Situation der Menschenrechte im Empfängerland abgelehnt hat. – Ist damit nun alles in Ordnung?Nein. Denn zum einen ist die Berichterstattung über den geplanten Export von erschreckender Ignoranz gegenüber den Fakten geprägt – und die Schwankungen im Hinblick auf den Wert des geplanten Waffenverkaufs sind nur ein Beispiel –,zum anderen bleiben viele Dinge auch jetzt noch unklar. Das fängt damit an – wer oder was ist eigentlich Kriss Arms?

Schon diese einfache Frage lässt sich nur schwer beantworten. Gegründet wurde die Firma erst vor wenigen Jahren. Der Eintrag ins Handelsregister erfolgte am 31.5.2002 unter dem damaligen Namen „Gamma Recherches et Technologies SA“. Der Name der für das Unternehmen gewählten Rechtsform, „Société Anonyme“ (SA), drückt sehr schön aus, dass man über die Gesellschafter, die das Unternehmen bilden, wenig weiß und wenig wissen soll. Und so ist es auch im Fall dieser Gesellschaft, deren Aktien nicht im freien Börsenhandel erhältlich sind. Und so wenig über die Menschen im Hintergrund bekannt ist, so offen ist gleichzeitig das Unternehmensziel formuliert, das schlicht „technische und industrielle Forschung in allen technologischen Bereichen“ (études techniques et industrielles dans tout domaine technologique) beinhaltet.

Die einzige namentlich bekannte Person, die im Kontext der Firmengründung in Erscheinung trat, ist der norwegische Investment-Banker Jan Henrik Jebsen. Eine alles in allem recht schillernde Figur. Die Tufts University / Boston charakterisiert ihn als philanthropisch veranlagten Geschäftsmann (businessman and philanthropist) – schließlich hat er 4,5 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt, damit dort das „Jebsen Center for Counter-Terrorism Studies“ aufgebaut werden konnte. Nun liegt freilich der Verdacht nahe, dass die Gründung von „Gamma Recherches et Technologies“ nicht nur seinen philanthropischen Neigungen entsprang, sondern auch gewissen Geschäftsinteressen. Hierfür spricht, dass er bereits im Jahr 2003 – gemeinsam mit dem französischen Konstrukteur Renaud Kerbrat – ein erstes Patent über ein neues Waffen-Verschlusssystem einreichte, aus dem heraus in den folgenden Jahren die „Vector“-Waffenfamilie entstehen sollte. Zur Produktion und für die Vermarktung dieser Waffen wurde bereits zu diesem Zeitpunkt eine Tochtergesellschaft in den USA gegründet, Transformational Defense Industries (TDI), die unter Beteiligung von Magpul Industries (verantwortlich für das Waffendesign) einen ersten Prototyp fertigte. 2007 wurde diese Maschinenpistole im Kaliber .45 ACP anlässlich der Waffenmesse „Shot Show“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Vom Einreichen eines ersten Patents bis zur Präsentation eines Prototyps vergingen demnach nur knapp vier Jahre. – Das ist beeindruckend. Vor allem, weil die Entwicklung seit 2007 in gleicher Geschwindigkeit fortgesetzt wurde.

Ausgehend von der Maschinenpistole sind in der Zwischenzeit auch voll- und halbautomatische (Pistolen-)Karabiner und eine halbautomatische Pistole – jeweils im Kaliber .45 ACP – entwickelt worden. Und die im Jahr 2006 gegründete Tochtergesellschaft „Defiance Systems SA“ entwickelte in der Zwischenzeit einen speziell auf die Anforderungen der Vektor-Waffenfamilie angepassten Schalldämpfer. Einen Wendepunkt in der Unternehmensentwicklung brachte das Jahr 2010, in dem einerseits der Schweizer Pistolen-Hersteller Sphinx übernommen wurde und andererseits die Firma in KRISS Systems SA umbenannt wurde. Ähnlich wie Kriss selbst ist auch Sphinx ein relativ junges Rüstungsunternehmen, das erst seit 1986 in der Waffenproduktion tätig ist und ein einziges halbautomatisches Pistolen-Modell für den Behördenmarkt entwickelt hat. Nun haben die Waffen von Sphinx keine nennenswerte Verbreitung, weil sie mit einem Preis von rund 2100 Euro für das Standardmodell schlicht zu teuer sind. (Zum Vergleich: Die P2000 von Heckler & Koch kostet in der Standardvariante rund 900 Euro und gilt schon damit als verhältnismäßig teuer.) Ausschlaggebend für den Erwerb dürfte für KRISS jedoch weniger die „Produktpalette“ von Sphinx gewesen sein als vielmehr die Fertigungskompetenz, über die die Mitarbeiter verfügen. Seit 2010 besitzt KRISS damit – neben dem Werk in den USA – auch einen Produktionsstandort in der Schweiz. Während die Waffen von Sphinx weiterhin unter dem etablierten Markennamen vertrieben werden, wurde die US-Tochtergesellschaft TDI in KRISS USA umbenannt. Ebenfalls zur Vereinheitlichung der Öffentlichkeitswirkung berät die PR-Firma „Laura Burgess Marketing“ seit 2011 die KRISS Systems SA und alle ihre Tochterfirmen im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit. Ein erstes Resultat dieser Bemühungen: In kürze wird ein Airsoft-Modell der Vector-Maschinenpistole erhältlich sein. Produziert von der US-Firma KWA und in Europa vertrieben durch die 2012 gegründete Tochterfirma Defiance Airsoft.

Dieser Hintergrund wirft ein neues Licht auf den publik gewordenen und nun zunächst gescheiterten Exportantrag:

  1. Wenn KRISS Systems Waffenteile in die USA exportieren wollte, um sie dort von KRISS USA endmontieren zu lassen und dann nach Saudi-Arabien zu verkaufen, so stellt dies nur aus juristischer Perspektive einen Export von Waffenteilen dar. Real handelt es sich um die Waffenproduktion einer Firma, die ihre Waffen an zwei Produktionsstandorten fertigen lässt. Die Rede davon, dass KRISS Arms nur Waffenteile beisteuern sollte, ist deshalb irreführend.
  2. Aus dem Umstand, dass die KRISS Systems SA einen Exportantrag in der Schweiz stellt, mag geschlossen werden, dass die US-Behörden, die das Geschäft letztlich ebenfalls genehmigen müssen, den entsprechenden Antrag bereits durchgewunken hatten. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass die USA – so wie auch die Staaten der EU – in den vergangenen beiden Jahren ihre Waffengeschäfte mit Saudi-Arabien massiv ausgeweitet haben. Die USA verkauften allein im Jahr 2011 Waffen im Wert von über 30 Milliarden US-Dollar auf die Arabische Halbinsel. Und die geplante Lieferung von Leopard-2-Panzern beschäftigt ja noch immer zumindest die deutsche Öffentlichkeit.
  3. Unter diesen Umständen scheint es mehr als wahrscheinlich, dass das geplante Waffengeschäft auf die eine oder andere Weise mittelfristig noch stattfinden wird. Wenn der rein Schweizer Anteil an einem 45-Millionen-Sfr-Geschäft ganze 436.000 SFr ausmacht, dann ist klar, dass an den Schweizer Produktionsstandorten zwar wesentliche Waffenteile produziert werden, diese aber in einer Gesamt-Rechnung dennoch nicht einen entscheidenden Anteil ausmachen. Ein so dynamisches Unternehmen, wie es KRISS Systems SA zu sein scheint, ein Unternehmen, das schon heute den weitaus größten Teil seiner Produktion in den USA angesiedelt hat, wird deshalb mittelfristig sicherlich darüber nachdenken, die Gesamt-Produktion in die USA zu verlegen und in der Schweiz allenfalls eine Prototyp- und Forschungsproduktion aufrechtzuerhalten. Wenn dies denn opportun erscheint. Etwaige Waffenexporte wären dann grundsätzlich kein Gegenstand von Schweizer Genehmigungen mehr.
  4. Daraus sollte nun jedoch nicht geschlossen werden, dass KRISS Systems ein künftiger Global Player im Kleinwaffen-Bereich sein wird. Die bisher entwickelten Waffen scheinen alles andere als massentauglich zu sein. Die Vector-Waffenfamilie wird zwar offenbar mit hohem finanziellen und ideellen Aufwand vermarktet und beworben – das ändert jedoch nichts daran, dass sie ein absolutes Nischenprodukt darstellt. Das betrifft schon die Munition, die sie bisher ausschließlich verwendet: Das Kaliber .45 ACP ist kein im militärischen Bereich weit verbreitetes Kaliber, sondern wird eher im polizeilichen Bereich verwendet. Dem entspricht, dass für die Waffe kein eigenes Magazin entwickelt wurde, sondern die Magazine der halbautomatischen Glock-Pistole G21 verwendet werden. Die Idee ist, dass die Soldaten nicht mehrere verschiedene Magazine mit sich herumtragen müssen, sondern lediglich einen Magazin-Typ verwenden, den sie in verschiedenen Waffen verwenden können. Das Problem, das diese Entscheidung verursacht, liegt jedoch auf der Hand: Die Magazinkapazität der Glock-21-Magazine ist auf 13 Schuss konzipiert. Für eine halbautomatische Waffe mag dies ausreichen. Für eine vollautomatische Waffe ist dies jedoch nicht viel. Und: Für einen potentiellen Nutzer würde dies die Notwendigkeit nach sich ziehen, u. U. ebenfalls erst Glock-Pistolen anschaffen zu müssen.
  5. All dies weist darauf hin, dass die Waffe sehr eng auf die Bedürfnisse (oder besser: Wünsche) der amerikanischen Spezialeinheiten hin konzipiert wurde. Ein Massenmarkt ist etwas anderes. Wenn Saudi-Arabien nun Interesse zum Erwerb der Waffe bekundet hat, so mag dies verschiedenen Motiven entspringen. Eines besteht sicherlich darin, die derzeit guten Beziehungen zu den USA zu nutzen, um jetzt möglichst viele Waffen zu kaufen, deren Erwerb mittelfristig vielleicht ohnehin geplant gewesen wäre. – Um den Preis, dass diese Waffen dann auf die amerikanischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. – Hinzu kommt aber sicherlich auch, dass die Vector-Maschinenpistole nicht einfach als „Waffe“, sondern vielmehr noch als ein Status-Symbol beworben wird. Wer diese Waffe verwendet, zeigt damit, dass er das Wohlwollen der USA genießt und dass er es sich schlicht leisten kann, diese Waffe zu kaufen. Ein einziges Exemplar der Vector-Maschinenpistole soll rund 6000 Euro kosten.
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