Seit dem 31. Juli 2023 gibt es eine anhaltende Kontroverse um MAN Energy Solutions (MAN ES), ein deutsches Unternehmen, das angeblich Schlüsselkomponenten für das Kriegsschiff UMS Moattama geliefert hat, das sich im Besitz der Marine von Myanmar befindet. MAN hat seinen Firmensitz in Augsburg.
Die UMS Moattama, ein im Dezember 2019 in Dienst gestelltes Landungsplattendock (LPD) der Makassar-Klasse, wird beschuldigt, vom myanmarischen Militär für den Transport von Truppen, schwerer Artillerie und Raketensystemen genutzt zu werden, wo das Militär seit dem illegalen Putschversuch Gräueltaten verübt – u.a. gegen das Volk der Rohingyas [1] [2].
Die Vorwürfe gegen MAN ES haben zu strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg geführt, die auf eine Anzeige des Tübinger Rechtsanwalts Holger Rothbauer im Auftrag von Greenpeace Deutschland zurückgehen. Im Mittelpunkt der Ermittlungen steht die Frage, ob die Exporte der Schlüsselkomponenten für das Kriegsschiff der myanmarischen Marine gegen das deutsche Außenwirtschaftsgesetz und die Dual-Use-Verordnung der Europäischen Union verstoßen haben [1].
Das UMS Moattama wurde von Daesun Shipbuilding in Südkorea als modifizierte Variante des LPD der Makassar-Klasse gebaut. Es ist etwa 122 Meter lang, hat eine Breite von 22 Metern, einen Tiefgang von 4,9 Metern und eine Höchstgeschwindigkeit von 16 Knoten. Das LPD kann bis zu 40 Bodenfahrzeuge, fünf Hubschrauber, 126 Besatzungsmitglieder und 218 zusätzliche Soldaten aufnehmen [3].
Im Februar 2021 wurde die UMS Moattama zu einer Rückführungsaktion nach Malaysia entsandt, um 1.086 myanmarische Staatsangehörige zurückzubringen, die Berichten zufolge illegal nach Malaysia gekommen waren. Ziel der Operation war es, die Fähigkeiten des Schiffes zur Massenevakuierung zu testen [4].
Im November 2023 stattete die UMS Moattama Vietnam einen dreitägigen Besuch ab, um die Freundschaft, die Zusammenarbeit und das gegenseitige Vertrauen zwischen Vietnam und Myanmar im Allgemeinen und ihren Streitkräften und Marinen im Besonderen zu stärken [5].
Einschätzung des RIB aus völkerrechtlicher Sicht:
Aus völkerrechtlicher Sicht kann die Ausfuhr von militärischen Komponenten oder Ausrüstungen in Länder, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, ein heikles Thema sein. Im Fall der Exporte von MAN ES an die UMS Moattama der myanmarischen Marine wird sich die rechtsgutachterliche Einschätzung auf mögliche Verstöße gegen einschlägige internationale Gesetze und Vorschriften konzentrieren:
Verantwortung der exportierenden Unternehmen: MAN ES unterliegt als deutsches Unternehmen den deutschen Gesetzen und internationalen Verpflichtungen. Nach internationalem Recht haben Staaten die Pflicht sicherzustellen, dass ihre Staatsangehörigen, einschließlich Unternehmen, sich nicht an Aktivitäten beteiligen, die zu Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern beitragen könnten. Deutschland ist als EU-Mitgliedstaat auch an den Gemeinsamen Standpunkt der EU zu Waffenexporten gebunden, der strenge Kriterien hinsichtlich der Menschenrechtslage im Zielland enthält.
Deutschlands Verpflichtungen nach internationalem Recht: Deutschland ist Vertragspartei verschiedener internationaler Verträge und Konventionen, die sich mit Waffenexporten und Menschenrechten befassen. So verbietet der Vertrag über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) Waffentransfers, wenn die Gefahr besteht, dass die Waffen zur Begehung oder Erleichterung schwerer Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht oder die internationalen Menschenrechte verwendet werden. Deutschland muss bei der Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen für militärisch relevante Komponenten die Einhaltung des ATT und anderer einschlägiger internationaler Vereinbarungen sicherstellen.
EU-Dual-Use-Verordnungen: Die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (Güter, die sowohl zivile als auch militärische Anwendungen haben) wird von der EU geregelt. Deutschland muss sich als EU-Mitgliedstaat an diese Vorschriften halten, die strenge Kontrollen für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in problematische Länder vorsehen. Wenn MAN ES Komponenten an die UMS Moattama ohne ordnungsgemäße Genehmigung oder unter Verstoß gegen die EU-Vorschriften exportiert haben sollte, könnte das Unternehmen nach EU-Recht zur Rechenschaft gezogen werden.
Mögliche Sanktionen und Strafen: Wenn die Untersuchung Beweise für ein Fehlverhalten ergibt, kann MAN ES mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, einschließlich Geldstrafen, Sanktionen oder Beschränkungen für zukünftige Exporte. Sollte sich außerdem herausstellen, dass das Unternehmen wissentlich Komponenten geliefert hat, die bei Menschenrechtsverletzungen verwendet wurden, könnten auch Einzelpersonen innerhalb des Unternehmens strafrechtlich belangt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Fall der Exporte von MAN ES an die UMS Moattama und die anschließende Verwendung in Myanmar aus völkerrechtlicher Sicht erhebliche Bedenken aufwirft. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die deutschen Behörden eine gründliche Untersuchung durchführen, um festzustellen, ob Verstöße gegen das deutsche Außenhandelsgesetz, die EU-Dual-Use-Verordnungen und einschlägige internationale Abkommen vorliegen. Sollten sich Verstöße bestätigen, dann sollten geeignete rechtliche Maßnahmen, einschließlich Strafen und Sanktionen, ergriffen werden, um die Rechenschaftspflicht sicherzustellen – und um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
Stephan H. A. Möhrle, LL.M.
Mitglied im Vorstand des RüstungsInformationsBüros und der International Association of Lawyers against Nuclear Arms. Er promoviert an der Freien Universität Liechtenstein zum Recht im internationalen Waffenhandel.
Quellen
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/wirtschaft/man-es-myanmar-schiff-e890931
NUMMER 1:
URL: https://www.justiceformyanmar.org/press-releases/jfm-welcomes-german-criminal-investigation-into-man-links-to-myanmar-navy-warship-after-complaint
TITLE: JFM welcomes German criminal investigation into MAN links to Myanmar Navy warship after complaint | Justice For Myanmar
NUMMER 2:
URL: https://en.wikipedia.org/wiki/UMS_Moattama
TITLE: UMS Moattama
NUMMER 3:
URL: https://www.bairdmaritime.com/work-boat-world/maritime-security-world/naval/ships-naval/myanmar-navys-first-lpd-enters-service/
TITLE: Myanmar Navy’s first LPD enters service – Baird Maritime
NUMMER 4:
URL: https://www.janes.com/defence-news/news-detail/myanmar-deploys-amphibious-ship-to-malaysia-as-part-of-repatriation-operations
TITLE: Myanmar deploys amphibious ship to Malaysia as part of repatriation operations
NUMMER 5:
URL: https://en.vietnamplus.vn/myanmars-naval-vessel-visits-vietnam/163612.vnp
TITLE: Myanmar’s naval vessel visits Vietnam | Politics | Vietnam+
Liebe Freundinnen und Freunde bei Aktion Aufschrei,
bei allen den wichtigen und vielfach erfolgreichen Aktivitäten gegen Rüstungsexporte und Kriegswaffenexporte haben wir in den vergangenen Jahren das Thema „Dual Use“ – sprich die zivile wie militärische Nutzung – zwar immer wieder benannt, aber nie intensiv bearbeitet.
Auch ich habe diesen Bereich juristisch bislang schwerpunktmäßig nicht umfassend berücksichtigt. Mit dem heute öffentlich publik werdenden Fall der technischen Unterstützung von MAN Energy Solutions (MAN ES) für den Bau eines Kriegsschiffes in Myanmar ist mir – zusammen mit Greenpeace – der Kragen geplatzt. Das Regime in Myanmar unterdrückt Minderheiten und die Opposition im Land mit gnadenloser Härte.
In diesem Fall hört die vermeintliche Verschwörung, dass es sich ja nur um Motoren und Schiffsschrauben und damit um zivile Produkte handele, schlichtweg auf. Dieser Fall offenbart: Despoten werden mit Dual-Use-Gütern aus Deutschland militärisch massiv unterstützt, sei es mit Kriegswaffen oder sonstigen Rüstungsgütern.
Der Fall ist auch monetär gewichtig: Wir reden geschätzt von einem höheren zweistelligen Milliardenbetrag. Dabei schaut die Bundesregierung, beziehungsweise in dem Fall das Bundeswirtschaftsministerium mit dem ihm unterstehenden Bundesausfuhramt, weg und stellen im Zweifel Genehmigungsbescheide aus, ohne genau zu prüfen, wer der wahre Empfänger im Land ist.
Im Auftrag von Greenpeace habe ich MAN angezeigt. Gemeinsam hoffen wir, dass wir dieses Thema in diesem besonders brisanten Fall prominent aufrollen können. Ziel ist auch, die Bundesregierung zum Handeln im Dual-Use-Genehmigungsbereich zu zwingen. Danke für eure Verbreitung und Unterstützung!
Rechtsanwalt Holger Rothbauer, LL.M. Tübingen