DAKS-Newsletter Dezember 2018 ist erschienen!

Mit der Dezember-Ausgabe des DAKS-Newsletters blicken wir auf das vergangene Jahr zurück: ein Gastbeitrag von Jürgen Grässlin blickt auf die Hauptversammlung von Heckler & Koch zurück und der kürzlich erschienene Rüstungsexportbericht der GKKE ermöglicht einen Blick auf die allgemeine Tendenzen und Trends in der deutschen Rüstungsexportpolitik. Gleichzeitig blicken wir aber auch ins neue Jahr und werfen einen Blick auf die Schweizer Initiative für eine Revision der Rüstungsexportgesetzgebung. Außerdem analysieren wir die Situation von SIG Sauer in den USA und die der Russischen Kleinwaffen-Hersteller.

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DAKS-Newsletter Dezember

Doppelter Widerstand auf der Heckler & Koch-Hauptversammlung 2018

Gemeinsam Licht ins Dunkel der mörderischen Machenschaften von H&K bringen. In Mexiko und weltweit

von Jürgen Grässlin

21. September 2018. Ein Szenario, das es so in Deutschland noch nicht gegeben hat. Vorne auf dem Podium im Rottweiler „Badhaus“ im Südwesten der Republik agiert die Führungsriege des Unternehmens, das europaweit die meisten Opfer des Exports und Einsatzes seiner Kriegswaffen verantwortet: der Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Heckler & Koch AG (H&K AG).

Im Auditorium sitzen rund vierzig Aktionärinnen und Aktionäre, allesamt Mitbesitzer des Unternehmens. Doch anders als bei den üblichen Jahreshauptversammlungen rüstungsexportierender Unternehmen sind die Vertreter der Kapitalseite diesmal nicht in der Mehrheit. Denn zwanzig Teilnehmer geben sich schnell als Mitglieder der jüngst gegründeten Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch zu erkennen. Mit nur einer Aktie können sie Fragen stellen und Gegenanträge auf Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat einbringen. Sie vertreten zahlreiche pazifistische Organisationen der bundesdeutschen Friedensbewegung: vom RüstungsInformationsBüro über die DFG-VK und Ohne Rüstung Leben bis hin zur bundesweiten Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“

Um zu verstehen, welch einmaliges Szenario sich an diesem Septembertag bei der 4. Jahreshauptversammlung der Heckler & Koch AG abspielte, muss man die blutige Historie von Deutschlands führendem Kleinwaffenproduzenten kennen. Heckler & Koch hatte sich in den Jahrzehnten nach seiner Gründung 1949 zum führenden Gewehr- und Pistolenexporteur Europas entwickelt.

Ebenso hemmungslos wie skrupellos wurden Millionen von G3- und G36-Gewehren sowie MP5-Maschinenpistolen in Krisen- und Kriegsgebiete in aller Welt exportiert. Fünfzehn Lizenznehmer produzierten und produzieren seither die Todesprodukte aus Oberndorf, die zuhauf auf den Schlachtfeldern in Asien, Afrika und Lateinamerika zum Einsatz kommen.

Das Ergebnis: Bis heute sind mehr als zwei Millionen Menschen durch Kugeln aus dem Lauf von H&K-Waffen erschossen worden. Mehr als sechs Millionen Menschen überlebten – verstümmelt, verkrüppelt und traumatisiert. Doch berührt uns mehr als jede Zahl das Leben und Sterben von Menschen, deren Schicksal wir näher kennen. So wie das von Pädagogikstudenten in Iguala im mexikanischen Bundesstaat Guerrero.

Mitten in der Nacht vom 26. zum 27. September 2014 – nahezu genau vier Jahre vor besagter 4. Hauptversammlung der Heckler & Koch AG – attackierten Polizisten und weitere Bewaffnete einen Bus, in dem sich junge Lehramtsstudenten der Pädagogischen Hochschule von Ayotzinapa auf dem Weg zu einer Demonstration für mehr Bildung befanden. Sechs der Studenten starben, 40 wurden teilweise schwer verletzt, 43 gefangengenommen und sind seither verschwunden.

Beschossen wurden die Studenten auch mit G36-Gewehren von Heckler & Koch. Mehr als 8000 dieser Sturmgewehre durften mit Genehmigung der Bundesregierung nach Mexiko-City und in vermeintlich sichere Regionen geliefert werden, keinesfalls aber in die verbotenen Unruheprovinzen Chihuahua, Chiapas, Jalisco und eben Guerrero.

Nachdem mir ein Whistleblower von Heckler & Koch umfangreiches Material über diesen illegalen Export von Kriegswaffen zur Verfügung gestellt hatte, stellte ich im April 2010 Strafanzeige gegen mehrere Mitarbeiter von Heckler & Koch – unter ihnen zwei Geschäftsführer. 2015 endlich erhob die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Anklage, seit Mai dieses Jahres läuft das Strafverfahren vor dem Landgericht Stuttgart. Das Urteil wird noch für den Herbst erwartet.

Das Feuerwerk der rund 200 kritischen Fragen brachte die H&K-Mitarbeiter im Backoffice mächtig zum Schwitzen, mehrfach musste die Beantwortung der Fragen durch Koch und John unterbrochen werden, denn die Antworten fielen vielfach schwer.

Ein erster und wahrlich gewichtiger Erfolg der Strafanzeige im G36-Mexiko-Verfahren war bereits zuvor offenbar geworden: Heckler & Koch hatte seine „Grüne-Länder-Strategie“ veröffentlicht, wonach zukünftig ausschließlich „grüne Länder“ in der NATO, NATO-assoziierte oder EU-Staaten mit Waffen beliefert werden. Demnach darf zukünftig keine Kriegswaffe von Heckler & Koch jemals mehr nach Mexiko oder Lateinamerika exportiert werden.

Ob diese Vorgabe stimmt, die Koch und John auf der Hauptversammlung nachdrücklich bekräftigten, muss kritisch überprüft werden. Denn dank der Recherchen des RüstungsInformationsBüros konnte in der Hauptversammlung wiederholt belegt werden, dass die H&K-Geschäftsführung aktuell neue Waffenexporte in „gelbe“ oder gar „rote“ Länder vollzogen hat. So erhalten Indonesien, Malaysia und Südkorea H&K-Waffen als „Altaufträge“. Topaktuell genehmigte der Bundessicherheitsrat unter Führung von Bundeskanzlerin Merkel sogar den Export von Rohren für MP5-Maschinenpistolen von H&K nach Indien und Hongkong.

Auch die Antworten auf die Fragen kritischer Aktionäre nach den G36-Exporten nach Mexiko wecken massive Zweifel an der Seriosität und Ernsthaftigkeit der H&K-Unternehmensführung. „Wir bedauern diese Verbrechen“, verkündete Jens Bodo Koch – ohne jegliche Entschuldigung für die Beihilfe zum Morden in Mexiko durch den Export Abertausender G36-Sturmgewehre. H&K-Waffen seien dazu da, in den Händen von Polizisten „Opfer zu schützen“. Bei Exporten würde sich das Unternehmen immer „streng an Recht und Gesetz halten“ – was für Phrasen angesichts des tödlichen Einsatzes von H&K-Gewehren in den Händen mexikanischer Polizisten und Drogenbanden.

Was bleibt zu tun? Die Aktivisten der Friedens- und Menschenrechtsbewegung in Mexiko und Deutschland müssen sich verbünden, um gemeinsam Licht ins Dunkel der Machenschaften von Heckler & Koch und weiterer Rüstungskonzerne zu bringen. Hierbei hilft uns das neue GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE, siehe https://www.gn-stat.org

In Deutschland müssen wir massiv den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, die bisher eine Rüstungsexport-Förderungspolitik betreibt. Und wir müssen intensiv mit Bundestagsfraktionen der Parteien zusammenarbeiten, die an einer ernsthaften Exportkontrolle interessiert sind. Der Fall Mexiko belegt, dass das System von Endverbleibszertifikaten bis heute nicht das Papier wert ist, auf dem diese Vereinbarungen gedruckt werden.

Jürgen Grässlin

ist Anzeigeerstatter gegen Heckler&Koch im G36-Strafverfahren; er ist Bundessprecher der DFG-VK, Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Vorsitzender des RIB e.V. und Mitbegründer der Kritischen Aktionär*innen H&K sowie des GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE.

Wichtige Websites:www.gn-stat.org siehe CASE 02 und CASE 03, www.rib-ev.de, www.aufschrei-waffenhandel.de, www.dfg.vk.de, www.juergengraesslin.com

GKKE veröffentlicht ihren Rüstungsexportbericht 2018

Die ökumenische Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat zum 22. Mal einen Bericht über die deutsche Rüstungsexportpolitik veröffentlicht, in dem sie die von der Bundesregierung veröffentlichten Zahlen kritisch analysiert und kommentiert. Die GKKE bewertet die Rüstungsexportkontrollpolitik der Großen Koalition dabei als sehr ambivalent. Die Ankündigung des Koalitionsvertrages, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu beenden, hatte die Hoffnung auf eine grundsätzliche Neuausrichtung der deutschen Rüstungsexportpraxis geweckt. Im Abstand von mehreren Monaten hat sich diese Erwartung nicht erfüllt, wie die durch die Bundesregierung veröffentlichten Genehmigungswerte und die immer noch stattfindenden Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien belegen. Bemerkenswert ist dabei der scharfe Ton, in dem die GKKE die Bundesregierung kritisiert. Schließlich formuliert sie nicht weniger als den Vorwurf, durch die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien „den Bruch des humanitären Völkerrechts“ zu betreiben, da die Bundesregierung „mit diesen Exporten gegen die völkerrechtlich verbindlichen Regeln des internationalen Waffenhandelsvertrags (Arms Trade Treaty, ATT) und des Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Ausfuhr von Militärgütern und Militärtechnologie, sowie gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und gegen ihre eigenen politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ (GKKE-Bericht 2018, S. 7) verstößt.

Der Umstand, dass die Genehmigungswerte für Rüstungsexporte im vergangenen Berichtsjahr um 9% im Vergleich zum Vorjahr gesunken sind, stellt keine Trendwende dar, da die „die Werte für die letzten drei Jahre (2015-2017) damit immer noch die drei höchsten Genehmigungswerte der vergangenen einundzwanzig Jahre“ (GKKE-Bericht 2018, S. 9) darstellen. Außerdem empfindet die GKKE es als in hohem Maße problematisch, dass auch im aktuellen Berichtsjahr wieder 61% der Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern an Länder außerhalb von EU und NATO gingen. „Die GKKE hält es angesichts der kontinuierlich hohen Genehmigungswerte für den Export von Rüstungsgütern und von Kriegswaffen an Drittstaaten nicht mehr für vertretbar, hier von Ausnahmefällen zu sprechen. Vielmehr stellt sie fest, dass der Export an Drittstaaten mittlerweile zur Regel geworden ist.“ (GKKE-Bericht 2018, S. 9) Dieser neue Regelfall stellt jedoch einen Bruch der geltenden Rüstungsexportkontrollgesetzgebung dar und das ist in der Tat besorgniserregend. Doch die GKKE bewertet nicht nur die konkrete Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung als problematisch, sondern gleichfalls auch ihre sicherheitspolitischen Maßnahmen in Nordafrika und in der Sahel-Region. Dabei gilt: „Die Ertüchtigungspolitik bleibt hinter ihren selbstgesteckten Zielen zurück. In Mali ist das erklärte Ziel der Stabilisierung und des Sicherheitsgewinns bislang nicht erreicht worden. Stattdessen mehren sich Anzeichen, die auf ein ‚zweites Afghanistan‘ hinweisen.“ (GKKE-Bericht 2018, S. 12) Als Konsequenz auf diese massive Kritik präsentiert die GKKE einen „Werkzeugkasten“ (vgl. GKKE-Bericht 2018, S. 28-30), der in 22 Punkten verschiedene „Instrumente zur Verbesserung des bestehenden Regelwerks bietet. Diese ‚Werkzeuge‘ unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Schärfegrade. Sie können einzeln übernommen, in manchen Fällen aber auch kombiniert werden. Aus Sicher der GKKE sollten die ausgewählten ‚Werkzeuge‘ dann ebenfalls in Form eines Rüstungsexportkontrollgesetzes rechtsverbindlich gemacht werden.“ (GKKE-Bericht 2018, S. 27) In ihrem neuesten Bericht geht die GKKE also sehr weit, was die konstruktive Kritik ihrer Analyse anbelangt. Zum einen wirft sie der Bundesregierung vor, dass ihre Exportkontrollpolitik einen latenten Rechtsbruch darstellt, zum anderen stellt sie dar, wie die gegenwärtige Situation verbessert werden könnte. Dies macht den GKKE-Bericht zu einem lesenswerten Dokument und das nicht nur auf Grund der veröffentlichten Zahlen und Analysen, sondern vor allem auf Grund der entworfenen Lösungsansätze.

Werkzeugkasten“ zur Verbesserung der Rüstungsexportkontrolle

1. Absolutes Verbot jeglicher Drittlandsexporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern.

2. Absolutes Verbot von Drittlandsexporten von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern; zulässig aber im Einzelfall zur Unterstützung von UN-legitimierten Einsätzen.

3. Grundsätzliches Verbot von Drittlandsexporten von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern mit a-priori-Ausnahmen für bestimmte Länder (Listenansatz).

4. Wertmäßige Reduktion der Rüstungsexportgenehmigungen an Drittländer (unter Beachtung der dann geltenden jeweiligen Rüstungsexportregeln) im Verhältnis 1:1 zu einer Erhöhung des Verteidigungshaushaltes bzw. der investiven Ausgaben. Sicherstellung durch entsprechende bindende Haushaltsvermerke im Einzelplan 14. Freigabe nur, wenn die Bundesregierung die Einhaltung der Reduktionsregel dem Bundestags-Haushaltsausschuss nachgewiesen hat (der auch jetzt schon BMVg-Ausgaben ab einem bestimmten Schwellenwert zustimmen muss).

5. Keine Genehmigung für die Ausfuhr von Klein- und Leichtwaffen (gemäß Definition der Bundesregierung in ihren Kleinwaffengrundsätzen) sowie Munition an Staaten außerhalb der EU, NATO und NATO-gleichgestellten Staaten.

6. Gleiches Verbot bei Lieferung von Klein- und Leichtwaffen an nichtstaatliche Stellen in Drittstaaten.

7. Genehmigung für die Ausfuhr von Klein- und Leichtwaffen nur bei Anwendung der Alt-für-Neu-Grundsätze, der Zulassung von Post-Shipment-Kontrollen sowie der Flankierung durch Outreach-Maßnahmen.

8. Genehmigung für die Ausfuhr von Klein- und Leichtwaffen sowie Munition nur mit der Auflage für die Empfängerstaaten, sich aktiv am UN-Waffenregister sowie am Kleinwaffenaktionsprogramm der Vereinten Nationen zu beteiligen, z. B. indem Staaten ihrer Berichtspflicht nachkommen und die Bestimmungen umsetzen.

9. Keine Genehmigung für die Ausfuhr von Rüstungsgütern an Staaten, die den internationalen Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty) nicht unterzeichnet haben.

10. Einführung einer Genehmigungspflicht schon für den Abschluss von Lizenzverträgen (wie in Frankreich und Schweden) für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter.

11. Verbot der Vergabe von Lizenzen zur Produktion von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (KWKG / AWG) in Drittstaaten einschließlich des Exports von Technologien zu deren Herstellung.

12. Möglichkeit eines Widerrufs für in der Vergangenheit erteilte Lizenzgenehmigungen und Technologieausfuhren in Drittländer zur Herstellung von Kleinwaffen sowie deren Munition.

13. Untersagungsmöglichkeit für den Export nicht gelisteter, für eine Herstellung konventioneller Rüstungsgüter bestimmter Dual-Use-Güter bzw. Technologien generell und damit auch für Nicht-Embargoländer.

14. Analog zu den Kleinwaffengrundsätzen, weitere selbstbindende Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern anderer Kategorien wie Marine, Luftwaffe, Heer statt absoluter oder relativer Exportverbote.

15. Beseitigung des Genehmigungsanspruches in § 8 des Außenwirtschaftsgesetzes zumindest für den Export von Rüstungsgütern an Drittstaaten.

16. Gesetzliche Klarstellung, dass alle Genehmigungen nach Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenwirtschaftsgesetz nur unter Widerrufsvorbehalt erteilt werden.

17. Grundsätzliche Befristung von Genehmigungen von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern – ggf. Verlängerungsmöglichkeit – z. B. auf zwei Jahre; evtl. Differenzierung nach EU/NATO/gleichgestellte, sonstige Drittstaaten (so schon 2003-2016 z. T. mit nur einem halben Jahr gegenüber Drittstaaten).

18. Nachweis des Vorhandenseins eines internen Compliance-Programms vor der Bescheidung durch alle Ausführer von Rüstungsgütern nach AWG und KWKG. Dies ist im Nachgang im Einzelfall zu prüfen und die Genehmigung ggf. zu widerrufen.

19. Verneinung der Zuverlässigkeit eines Exporteurs nach KWKG und AWG auch schon bei Anhaltspunkten für eine persönliche Unzuverlässigkeit einzelner Handelnder im Unternehmen oder bei einem Organisationsmangel.

20. Einführung eines Genehmigungsvorbehalts für die technische Unterstützung durch Deutsche in Drittländern zur Entwicklung von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern und zum Aufbau von Kapazitäten zur Rüstungsproduktion.

21. Einführung eines Genehmigungsvorbehalts für die Gründung von Joint Ventures und Tochterunternehmen deutscher Unternehmen im Ausland mit Bezug zur Herstellung von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern sowie für den Anteilserwerb an solchen Unternehmen durch deutsche Unternehmen.

22. Einführung einer/s Rüstungsexportbeauftragten beim Deutschen Bundestag, nach dem Vorbild der/s Wehrbeauftragten, zur Überprüfung der Einhaltung der für den Rüstungsexport geltenden Regeln.

Schweiz: Keine Rüstungsexporte in Bürgerkriegsländer

Der Schweizer Bundesrat hat im vergangenen Juni 2018 die Schweizer Rüstungsexportgesetzgebung dahingehend „modernisiert“, dass nun auch Exporte von Waffen und Munition in Bürgerkriegsländer möglich sein sollen. Kaum 6 Monate später hat sich nun ein breites, bevölkerungsübergreifendes Aktionsbündnis gebildet. Dieses möchte die Bundesratsentscheidung auf dem Wege einer Volksabstimmung korrigieren und sammelt dafür Unterschriften. Das Bündnis reicht von der Kommission der katholischen Schweizer Bischöfe Justitia et Pax über zivilgesellschaftliche NGOs wie Amnesty International bis hin zu VertreterInnen etablierter Parteien wie der Schweizer Grünen. Unter der großen Breite des Bündnisses litt die Prägnanz der politischen Forderungen jedoch nicht. Gefordert wird:

  • Die grundsätzlichen Regelungen zu Kriegsmaterialexporten sollen in der Verfassung

festgeschrieben werden, damit Parlament und Bevölkerung in Zukunft mitbestimmen

können.

  • Es sollen keine Waffen mehr in Länder exportiert werden dürfen, welche die

Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen. Dies entspricht der

Kriegsmaterialverordnung von 2014.

  • Waffenexporte in Länder, welche in einen internen oder internationalen bewaffneten

Konflikt verwickelt sind, sollen ein für alle Mal verhindert werden.

Die Stoßrichtung der Schweizer Allianz zielt damit in eine ganz ähnliche Richtung wie die bundesdeutsche Aktion Aufschrei. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch die vorgelegten Begründungen und Argumentationshilfen in vielen Punkten Überschneidungen mit der deutschen Diskussion zeigen. Hierzu gehört:

Rüstungsexporte gehören unter demokratische Kontrolle:

Momentan entscheidet der Bundesrat in Eigenregie über die Waffenexport-Politik der

Schweiz. Ein einzelner personeller Wechsel im Bundesrat kann die Grundsätze der

Exportpolitik komplett in eine andere Richtung bewegen. Kriegsmaterial-Exporte sind jedoch

zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen. Mit der Korrektur-Initiative würde die Kontrolle

über die Rüstungsexport-Politik nicht mehr auf Verordnungsebene, sondern auf

Verfassungs- und Gesetzesebene geregelt. Nur so ist eine Mitsprache von Parlament und

Bevölkerung gewährleistet.

Die Schweiz muss Fluchtursachen bekämpfen:

Seit dem Zweiten Weltkrieg waren nie so viele Menschen auf der Flucht wie heute. Der

Grossteil der Menschen flüchtet vor aktuellen Kriegen oder den Folgen vergangener

Konflikte. Wenn die Schweiz auch noch Waffen exportiert in Länder, die Menschenrechte

verletzen, treibt das immer mehr Menschen in die Flucht. Wir wollen das Gegenteil: Unsere

Politik setzt bei der Bekämpfung von Fluchtursachen an.

Waffen in Krisenregionen gelangen schnell in die Hände von Terroristen:

Wenn in Länder, die Menschenrechte verletzen oder die sich in einer instabilen Situation

befinden, Waffen exportiert werden, gelangen diese schnell in die falschen Hände. Die letzten

Jahre haben es gezeigt: Auch wenn ein Export in ein heikles Empfängerland vorübergehend

erlaubt ist, landen die Waffen schlussendlich häufig in den Händen von Terrorgruppen. So

wurden bei einem IS-Attentäter Ruag-Handgranaten gefunden, Boko Haram führt mit einem

Schweizer Mowag-Panzer Krieg, und Handgranaten und Munition aus der Schweiz sind bei

radikalen Rebellen im libyschen wie auch im syrischen Bürgerkrieg aufgetaucht.

Anders als in Deutschland sind die politischen Möglichkeiten jedoch klar geregelt und so wird das Bündnis in den nächsten Monaten vor allem Unterschriften sammeln, damit dann die Schweizer Bevölkerung in einem Referendum über die Forderungen – und damit über die künftige Schweizer Rüstungsexportpolitik – abstimmen kann. In Deutschland sind wir von einer solchen Situation natürlich noch weit entfernt. Gerade deshalb ist der Schweizer Allianz ein schneller und umfassender Erfolg zu wünschen.

SIG Sauer in den USA gut im Geschäft

Die US-amerikanische Schusswaffenfirma SIG Sauer Inc. macht zurzeit gern auf Verkäufe eines ihrer Pistolen-Modelle aufmerksam – etwa auf der firmeneigenen Website. Die P320 ist eine modulare Schusswaffe, d. h. sie kann mit relativ einfachen Mitteln auf verschiedene Kaliber umgebaut werden. Neben Großaufträgen für die dänischen und die thailändischen Sicherheitskräfte und einem noch größeren Auftrag für die US-Streitkräfte (etwa 500.000 Stück) sollen nun auch Einheiten der US-Polizei (u. a. in den Bundesstaaten South Carolina, Virginia, Texas und New Hampshire) diesen Pistolentyp in ihr Arsenal aufgenommen haben.

Die Vorstellung, dass es mit der Militärwaffenproduktion bei den Firmen, die in der „SIG Sauer-Gruppe“ zusammengefasst sind (und die zur im westfälischen Emsdetten eingetragenen „L & O Holding“ von Michael Lüke und Thomas Ortmeier gehören), vorbei sei, muss also als falsch angesehen werden. Denn die in die USA verkauften oder dort hergestellten Waffen sind als Kriegswaffen einzustufen (auch wenn die deutsche Bundesregierung Faustfeuerwaffen und Kurzwaffen in ihren Berichten allzu gern ignoriert oder deren Exporte und die Produktion im Ausland verschweigen will). Und sie bleiben nicht unbedingt dort, wo sie anfangs eingesetzt werden – etwa durch Grau- und Schwarzmarktgeschäfte, Verlust, Diebstahl oder auch durch eine spätere Einstufung als „Altwaffen“ bzw. „Überschusswaffen“, der oft ein Verkauf an andere, völlig unkontrollierbare Nutzer folgt.

Das Beispiel der SIG Sauer GmbH & Co. KG (mit Sitz in Eckernförde) bzw. der SIG Sauer Inc. (mit Sitz in Newington in New Hampshire) zeigt, wie erfolgreich die Strategie der Auslandsverlagerung sein kann. Ähnliches lässt sich bei Heckler & Koch beobachten: Wer nicht unter deutschem Waffen- und Exportrecht bauen will, kann sich einen Standort in einem anderen Land suchen, indem die achso restriktiven deutschen Exportgrundsätze und wenigen rechtlichen Hürden teilweise oder gar nicht existieren. Wenn die Bundesregierung in Berlin ihre ansonsten von ihr selbst so gerühmte „restriktive“ Rüstungspolitik ernst nehmen würde, müsste sie einen Weg suchen, diese Umgehungstaktik zu verhindern. Das tut sie jedoch nicht. Man behilft sich wohl mit dem Gedanken bzw. der Ausrede, dass ja nicht die eigenen Sicherheitskräfte mit diesen Waffen schießen, sondern dass andere Leute diese an sich guten Werkzeuge falsch anwenden. Man tut so, als ob ein Drogenhändler nicht auch für seine Waren verantwortlich sei. Diese irre Vorstellung führt allerdings keinesfalls zur Berechtigung, Waffen zu produzieren oder damit zu handeln. Wer tödliche Gegenstände liefert oder verteilt, muss dafür verantwortlich gemacht werden – wenn (noch) nicht juristisch, so doch moralisch.

SIG Sauer ist also auf anscheinend „gutem“ Kurs. Bleibt die Frage, ob die in den USA unter Obama gestiegenen Waffenverkaufszahlen auch unter Trump hoch bleiben oder eventuell noch steigen. Die deutschen und österreichischen Kleinwaffenfirmen, neben SIG Sauer etwa H&K oder Glock, setzen mit ihrer Firmenpolitik darauf und geben dadurch u. a. Unterstützung bei weiteren Massakern an unschuldigen Menschen – in den USA oder in anderen Ländern.

Russlands Kleinwaffenhersteller im Auftrieb?

Der russische Staatskonzern Rostec bzw. die für die Schusswaffenproduktion zuständige Unterfirma Kalaschnikow hat anscheinend neue Waffentypen auf den Markt gebracht, die nun von Russlands Nationalgarde, Rosgvardiya, getestet werden. Das berichtet zumindest Jane´s Defence. Das neue Kalaschnikow-Modell „AK-200“, später Nachfahre der sozusagen legendären AK-47, sowie ein Pistolenmodell mit dem Namen „Lebedev PL-15 9 mm (Para)“ würden eine Reihe von Tests durchlaufen, so zitiert Jane´s einen Konzernvertreter. Izhmash, wiederum eine Unterfirma der Kalaschnikow-Gruppe werde mit der Serienproduktion der PL-15-Pistole beginnen. Russische Sicherheitskräfte hätten bereits AK-Waffen (darunter auch Karabinerversionen) im Kaliber 5,45 x 39 mm erhalten, weitere im Kaliber 7,62 x 39 mm könnten womöglich folgen. Nach Jahren der Krise könnte es mit diesen Entwicklungen für Kalaschnikow wieder bergauf gehen, finanziell und entwicklungstechnisch. Ob dies dann Exporte oder Altwaffen-„Entsorgung“ in andere Staaten bzw. Kriegsgebiete nach sich zieht?

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