Gemeinsame Gegenanträge der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre zur Hauptversammlung der Heckler&Koch AG

Gegenanträge des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre
zur Hauptversammlung der
Heckler&Koch AG am 2.7.2024

Zu Tagesordnungspunkt 3: Entlastung der Mitglieder des Vorstands

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Vorstands für das Geschäftsjahr 2023 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Vorstand sieht sich durch die sog. „Zeitenwende“ in der Ausweitung von Produktion und Vertrieb todbringender Schusswaffen legitimiert.

Profiteur der Zeitenwende
Im beschaulichen Örtchen Oberndorf am Neckar produzieren zwei der bekanntesten deutschen Rüstungsunternehmen: Heckler&Koch und Rheinmetall. Der mittelständische Handfeuerwaffen-Hersteller H&K ist genauso Profiteur der „Zeitenwende“ wie der Düsseldorfer DAX-40-Konzern. So plant H&K die Ausweitung der Produktpalette auf Sturm- und Maschinengewehren für Kalaschnikow-Munition und andere Kaliber des ehemaligen Warschauer Paktes. Die Firmenleitung ist stolz darauf, dass Politiker inzwischen keinen Bogen mehr um das lange Zeit umstrittenste deutsche Unternehmen machen, dessen Sturmgewehre in Kriegs- und Krisengebieten auftauchten. Noch 2021 hatte das Landgericht Stuttgart zwei ehemalige H&K-Mitarbeiter wegen „bandenmäßiger Ausfuhr von Gütern aufgrund erschlichener Genehmigung“ zu Bewährungsstrafen verurteilt.

„Das Herz von Oberndorf“
„Es sieht aus wie in einer edlen Boutique. Vitrinen reihen sich in dem Raum aneinander, darin sind die Produkte ausgeleuchtet, die hier im baden-württembergischen Oberndorf am Rande des Schwarzwaldes entstehen: Sturmgewehre, Maschinengewehre, Pistolen und Maschinenpistolen“, heißt es in einer Reportage der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ („Endlich weg vom Schmuddel-Image“, 14.06.2024). Für Firmenchef Bodo Koch ist es „das Herz von Oberndorf“.

Heckler&Koch und Kindersoldaten
In ehemaligen und aktuellen Krisen- und Kriegsgebieten – wie beispielsweise in Uganda, Sierra Leone, Kolumbien und dem Irak – schossen bzw. schießen Kindersoldaten mit Gewehren von Heckler&Koch (G3 u.a.). Viele von ihnen werden durch Kleinwaffen, auch von H&K, verletzt oder getötet.
Im bewaffneten Konflikt in Zentralafrika benutzten und benutzen Rebellen der Lord’s Resistance Army (LRA) u.a. das G3-Gewehr von Heckler&Koch. Der frühere Kindersoldat Innocent Opwonya, der von der LRA zwangsrekrutiert wurde und später fliehen konnte, bestätigt, dass er mit einem G3-Gewehr von H&K zum Kämpfen gezwungen wurde. Er setzt sich jetzt zusammen mit terre des hommes Deutschland, der DFG-VK, den RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) und anderen gegen den Einsatz von Kindersoldat*innen und gegen den Export von Kleinwaffen ein.

Überprüfung der H&K-Waffenhändler in den USA noch nicht abgeschlossen
Heckler&Koch hat in den USA drei Geschäftsfelder: die Streitkräfte (U.S. Marine Corps und U.S. Army). Außerdem werden einige US-Polizeibehörden ausgerüstet. Problematisch ist der Verkauf von Waffen auf dem zivilen Markt, auch wenn er nach H&K-Angaben „über ein zertifiziertes Händlernetzwerk“ erfolgt.
Auf Nachfrage des Dachverbands teilte Heckler&Koch im November 2023 mit: „Die Überprüfung dieser Händler wurde gestartet und ist noch nicht final abgeschlossen. Aktuell haben wir noch keine nachweisbar belastenden Umstände aufgefunden, die dazu führen würden, dass wir die Geschäftsbeziehung abbrechen. In die Überprüfung findet auch der Ausgang der anhängigen Klageverfahren Eingang, das wir mit besonderem Interesse verfolgen. Die Klage gegen die Händler wurde in der 1. Instanz abgewiesen, da keine Beweise dafür aufgefunden werden konnten, dass der Händler Schusswaffen an Personen verkauft hat, die diese illegal an Mexiko weitergeleitet haben. Gegen diese Entscheidung wurde Berufung beim U.S. Court of Appeals for the First Circuit eingelegt. Es ist für uns derzeit nicht abschätzbar, wann dieses Verfahren beendet sein wird.“
2023 starben über 40.000 Menschen in den USA durch Schusswaffen. Stärkere Einschränkungen des laxen Waffenrechts scheitern in den USA seit Jahrzehnten am Widerstand der mächtigen Waffenlobby und der mit ihr verbündeten Republikaner.

Brasilianische Politikerin mit MP5 erschossen
Die brasilianische Politikerin Marielle Franco von der Partei Sozialismus und Freiheit (PSOL) wurde in der Nacht vom 14. März 2018 im Zentrum von Rio de Janeiro ermordet. 13 Schüsse aus einer Maschinenpistole MP5 des deutschen Herstellers Heckler&Koch, die von Polizei- und Eliteeinheiten verwendet wird, haben das Auto und drei Insassen getroffen. Die 38-jährige Politikerin wurde mit vier Kopfschüssen getötet, ihr Fahrer Anderson Gomes wurde ebenfalls tödlich getroffen. Francos Pressesprecherin, die Journalistin Fernanda Chaves, überlebte das Attentat verletzt. (amerika 21, 16.04.2024, Höchstes Gericht in Brasilien ermittelt jetzt Auftraggeber im Mordfall Marielle Franco)

Grüne-Länder-Strategie: Ausnahmemöglichkeiten bei Sicherheitspartnern
Die Exportstrategie, nach der Heckler&Koch „grundsätzlich (…) nur Staaten (beliefert), die der Europäischen Union und/oder der NATO angehören oder NATO-gleichgestellt sind“, lässt weiterhin Ausnahmemöglichkeiten zu. Auch ausgewählte Sicherheitspartner Deutschlands können demnach als „grün“ gelten. Darunter fiel im vergangenen Jahr beispielsweise Singapur. Singapur ist den meisten zentralen Menschenrechtsverträgen nicht beigetreten.

Zu Tagesordnungspunkt 4: Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre beantragt, die Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2022 nicht zu entlasten.

Begründung:

Der Aufsichtsrat ist seiner Aufgabe als Kontrollorgan des Vorstands nicht hinreichend nachgekommen und wird auch nach der Vorlage einer Studie der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) zur Firmengeschichte von Heckler&Koch seiner historischen Verantwortung nicht gerecht.

Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) hatte im September 2023 ihre Ergebnisse zur Rolle des Firmengründers Edmund Heckler vorgelegt. Heckler war während des Nationalsozialismus in leitender Funktion beim Leipziger Rüstungsunternehmens Hugo Schneider AG (HASAG) tätig.

Edmund Heckler und der Nationalsozialismus: Ist jetzt Schluss mit der Auseinandersetzung?
Der Geschichtswissenschaftler Martin Clemens Winter, der am Historischen Institut der Universität Leipzig zur HASAG forscht, kritisiert in einem Interview: „Bei Heckler und Koch scheint es mir jetzt so zu sein, dass man im Unternehmen diese Studie als Schlusspunkt der Auseinandersetzung ansieht. In dem Sinne: Wir haben uns jetzt damit auseinandergesetzt, wir haben das wissenschaftlich erforscht, wir machen dazu eine Pressemitteilung und damit ist die Sache auch mal durch. Aber eigentlich ist so eine Studie erst der Auftakt für eine kritische Auseinandersetzung.“ (Wir brauchen andere Kategorien, um das heute zu bewerten, https://kreuzer-leipzig.de/2023/11/21/wir-brauchen-andere-kategorien-um-das-heute-zu-bewerten, 21.11.2023)

Winter stellt nicht die Wissenschaftlichkeit der Studie in Frage. „Das Problem sind eher die Interpretationen, die sich anschließen. Es ist natürlich immer eine Frage, wie man mit Lücken von Quellen umgeht. Also, sagt man: »Es gibt keine Quellen, also gab es auch keine Verbrechen« oder sagt man: »Es gibt keine Quellen, aber es gibt einen Gesamtzusammenhang, den man trotzdem problematisieren kann.« … Ich glaube, ich würde einige Schlüsse anders gewichten, als es die Kolleginnen und Kollegen getan haben.

Karrierist im Kontext von Massenvernichtung und Zwangsarbeit
„In der Studie wird der Begriff des »Mitläufers«, den ich besonders problematisch finde, tatsächlich als Quellenbegriff benutzt, da Heckler 1948 vom Entnazifizierungsausschuss als Mitläufer eingestuft wurde“, so der Leipziger Historiker Winter. „Das ist natürlich eine korrekte Aussage. Problematisch ist aber, dass die Presseberichterstattung den Begriff – auch durch die Unternehmenskommunikation geprägt – als Ergebnisse der Studie wiedergibt. Auf der Homepage von Heckler und Koch kann man lesen, dass es eine große Erleichterung über die Ergebnisse dieser Studie gibt, weil Heckler in Taucha »nur« in einem Werk gearbeitet habe, in dem es keine KZ-Häftlinge gab, sondern zivile Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter. Doch auch zivile Zwangsarbeit war ein NS-Verbrechen. Zum Zweiten wird natürlich auch generell die ganze Rolle der HASAG zu wenig beachtet: Diese Firma hat Munition für den deutschen Vernichtungskrieg produziert, die auch bei Massenerschießungen von Jüdinnen und Juden in Osteuropa eingesetzt wurde, und war dringend notwendig für Nazideutschland, um diesen Krieg zu führen. Das ist am Ende der Kontext, in dem Edmund Heckler Karriere gemacht hat.

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